Was ich, da bin ich ehrlich, an den ganzen Corona-Szenarien noch nicht begriffen habe. Vielleicht kann man mir da ja mal präzise jemand meinen Denkfehler nachweisen.
Ich halte zwei Ausgangsthesen für sehr plausibel:
1. Es dauert eine Weile zwischen Ansteckung und ersten Symptomen, falls überhaupt welche auftreten.
2. Es waren häufig nur sehr wenige, wenn nicht sogar Einzelne, die in den unterschiedlichen Ländern der Erde für den Beginn der Ausbreitung gesorgt haben.
Ausgehend hiervon ist es also sehr wahrscheinlich, dass wenn auch nur sehr wenige infiziert sind, jeweils immer wieder erneut mit einer rasanten Ausbreitung zu rechnen ist.
Dass bei einer Vielzahl von Infizierten die meisten niemanden mehr anstecken, also die Infektionswahrscheinlichkeit geringer als eine Ansteckung pro Infiziertem ist (soll ja derzeit bei 0,7 liegen), kann also nur aufgrund geänderter äußerer Umstände (seien es natürliche oder staatliche vorgeschriebene) so sein. (Vorausgesetzt das Datenmaterial ist valide.)
Meines Wissens gibt es drei Szenarien, die für einen solchen Rückgang verantwortlich gemacht werden können:
1. Es wurde ein Impfstoff gefunden.
Das ist offensichtlich nicht der aktuelle Grund der Entwicklung, da dies nicht der Fall ist. Auch wenn es viele schon lange herbeibeten – die Wahrscheinlichkeit, dass wir einen effektiven Impfstoff finden, halte ich für vernachlässigbar.
2. Herdenimmunität wurde erreicht.
Das ist der Fall, wenn, so sagt man, etwa 70% der Bevölkerung durch einen positiven Krankheitsverlauf, also mit anschließender Gesundung, immun sind. Damit würden Infizierte auf nur noch wenige infizierbare treffen und damit wäre eine weitere Verbreitung immer geringer. Es würde vermutlich zwar immer wieder zu Kreisen mit relativer Verbreitung kommen, aber im Ganzen wäre das dann zumindest kein Problem mehr für die Notfallstationen in den Krankenhäusern.
3. Die restriktiven Maßnahmen greifen.
Damit wird ja derzeit vermehrt argumentiert. Weil das Social-Distancing sowie die generellen Kontaktbeschränkungen greifen würden, wäre die Ausbreitung des Virus effektiv gestoppt worden.
Genau dieser dritte Punkt aber, wirft für mich in Bezug auf meine eingangs erwähnten Thesen Fragen auf.
• Man hört vermehrt, dass die Infektionsrate auch dort fällt, wo die Restriktionen nicht, oder nicht in dem hiesigen Ausmaß, durchgesetzt wurden.
• Es wird sogar behauptet, die Infektionskurve wäre schon vor Ansetzen der Maßnahmen rückläufig gewesen.
• Bei Lockerung der Maßnahmen sollte sich das einleitende Ansteckungsszenario direkt wiederholen, selbst wenn es nur einen einzigen Infizierten gibt, der Kontakt zu noch nicht Infizierten hat.
Wer also auf dieses Szenario setzt, rechnet im Grunde mit einem dauerhaften Kontaktverbot und den ganzen damit zusammenhängenden Einschränkungen oder er macht sich was vor.
Ein viertes, mir am wahrscheinlichsten vorkommendes aber ansonsten tabuisiertes Szenario möchte ich noch erwähnen: Es handelt sich um ein mehr oder weniger natürliches Vorkommen einer Winterinfektion, wie sie in regelmäßigen Abständen immer wieder zu beobachten ist.
Wir hatten vor Corona einen harten Infektionswinter. An Finja sind bei ihrer ersten Lungenentzündung 5 schwer infektiöse Keime festgestellt worden – hätte man mehr getestet, hätte man vermutlich mehr gefunden. Auch eine Großtante meiner Frau ist mit weit über 90 im Februar gestorben. Wer weiß – hätte sie es noch ein paar Wochen gemacht, wäre sie vielleicht ein Corona-Toter geworden.
Was für dieses Szenario spricht, ist für mich auch der Augenschein. Wir haben am Abend eine kleine Radtour gemacht – die beiden Großen und ich. Im Stadtpark haben wir Fußballer gesehen (ein halbes Duzend) und als wir an der Autobahn eine Nebenstrecke befuhren, haben wir eine Gruppe Jugendlicher mit Lauter Musik und Alkohol aufgeschreckt – bei den Autobahngeräuschen kaum zu bemerken.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass mittlerweile viele Familien unter der Hand Besuchszeiten und Kontakte auch für Kinder organisieren und überall findet man illegal kleine Grüppchen rumstehen.
Die Infektion müsste also durch die Decke schießen. Tut sie aber nicht.
Der Verdacht, dass von den drei Szenarien keines zutrifft und es wirklich ein mehr oder weniger von uns unbeeinflusstes Phänomen ist, liegt nahe. Die einzigen Parameter, die wir wirklich in der Hand haben, ist unsere persönliche Körperhygiene auf der einen Seite und die vom Staat zur Verfügung gestellte medizinische Infrastruktur: Ausrüstung, Plätze und Personal. Gerade bei letzterem haben die meisten Länder ziemlich versagt, was sich gerächt hat und wir sind mit einem blauen Auge davon gekommen, weil die Pläne unserer hochgelobten Regierung noch nicht umgesetzt waren.
Wenn wir sie nicht umsetzen und statt dessen mehr Mittel zur Verfügung stellen, dürften wir auch zukünftig besser gerüstet sein – sofern wir es wirtschaftlich überleben – denn das darf man nicht vergessen. Indem wir uns wirtschaftlich ruinieren, nehmen wir uns das, was wir am dringendsten brauchen: eine technisch hoch entwickelte, flexible und effiziente medizinische Grundversorgung.