Der Wunsch, nicht sinnlos gelebt zu haben, dürfte uns allen bekannt sein. Doch wie kann man ihn konkretisieren?
Klassisch geht man bekanntlich von drei Möglichkeiten aus, die entweder einzeln oder in Kombination im Raum stehen:
- dem heute nicht mehr ganz so populären Nachwuchs, in dem man „seine Gene weitergibt“ und im Stillen hofft, dass dieser dann einmal etwas von wirklicher Größe zu schaffen in der Lage ist (oder zumindest ein Enkel, Urenkel oder so)
- selber etwas zu Schaffen, sei es in Kunst und Kultur oder Technik, so dass man über die Generationen hinweg bestaunt werden kann
- oder aber man verlagert den Sinn des Lebens auf ein Jenseits, in dem man dann auch für auf Erden Unscheinbares belohnt wird.
Der heutige Mensch jedoch, so scheint es, ist über derartige Motive längst hinaus gewachsen. Es interessiert nicht, was der Nachwelt bleibt, der Ruhm zur Lebenszeit, mit möglichst wenig Einsatz „entdeckt“, von Idolen „groß heraus gebracht zu werden“, ist Traum von vielen.
Individualität ist das Schlagwort, mit dem man meint, der Masse zu entkommen und anderen voraus zu sein. Nicht erlernte Fähigkeiten oder besonderen Leistungen sind dazu nötig, es reicht den Trieben möglichst freien Lauf zu lassen, mit Musikgeschmack und Mode „auf dem Laufenden zu sein“ und mit allen technischen Möglichkeiten auf die eigene Existenz hinzuweisen.
Was ist dazu idealer, als ein zielgruppenspezifisches Netzwerk? StudiVZ für Studenten, Xing für Bürohocker mit Ambitionen und Facebook für alle? Wer sich keinem privaten Fernsehsender in Talk- oder Talentshows anbiedert, sucht nach einem möglichst großen „Freundes“kreis im Netz. Wer nicht netzwerkt, ist ein gesellschaftliches und berufliches Nichts. Je länger die Freundesliste, möchte man meinen, um so näher rückt das Ziel nach großem Geld, nach Ruhm und Ehre.
Doch ist es überhaupt noch etwas besonderes, hunderte von Leuten, die man größtenteils nicht einmal kennt, in seinem Profil verlinkt zu haben? Vielleicht war es vor Jahren mal ein Zeichen reger Kontaktfreudigkeit, doch heute ragt man damit sicher nirgendwo heraus.
Netzwerken, so hört man gar nicht selten, sei eine moderne Form, Freundes- und Bekanntenkreise zusammenzuhalten, in einer Zeit des großen Wandels und der flüchtigen Begegnungen. Doch bei näherem Hinsehen erweisen sich die meisten Kontakte als längst gestorben, sie dienen maximal dem äusseren Schein um dritte zu beeindrucken. Freundschaft muss als Wort für etwas herhalten, was den Betreffenden bestenfalls zum irgendwann einmal nützlichen Objekt abstempelt.
Wer wirklich etwas mit seiner Lebenszeit beginnen will, wer echte Freundschaften schätzt und seinen Sinn nicht nur in Moden sucht, der sollte abspringen vom Netzwerk-Gedanken, wie von einem ausgelaufenen Schneeballsystem.