In Polen ist ein neues Gesetz im Gespräch, nachdem schulischer Sexualkundeunterricht abgeschafft werden solle. Natürlich facht das in unserer übersexualisierten Gesellschaft hitzige Diskussionen an.
Was dabei besonders auffällt, ist die unredliche Argumentation. Wer gegen den Sexualunterricht ist, sei entweder prüde, wolle Kindern die freie Entfaltung ihrer Sexualität verwehren und sei vor allem an ungewollten Schwangerschaften sowie an daraus resultierenden Abtreibungen schuld.
Ich möchte dem ein paar Gedanken entgegensetzen.
Zuerst einmal etwas über den Sinn von Schule. Sie dient vor allem der Aneignung von Wissen. Dort sollen grundsätzliche Fertigkeiten erlernt werden, die das Leben in der Gesellschaft erleichtern und die zum Teil Voraussetzung für berufliche Tätigkeiten oder weitere Ausbildungen sind.
Primär handelt es sich also um Orientierungshilfen zu Technik und Kultur, vor allem um Lesen, Schreiben und Rechnen.
Im Bereich der Ethik unterscheiden sich schon die Geister. Die einen wünschen einen Religionsunterricht, die anderen einen „neutralen“ Ethikunterricht. Bisher bestimmt die Ausrichtung des Elternhauses, in welche Richtung Kinder geprägt werden sollen, auch wenn Lehrer und Einrichtungen ihre Vorstellungen durch andere Fächer und Methoden einfliessen lassen.
Kritik am Sexualkundeunterricht setzt genau hier an. Oftmals ist es für Eltern nicht transparent, was dort genau gelehrt wird, wie die Vorstellung des Schulträgers aussieht, und obwohl das Thema zu einem großen Teil ethischer Natur ist, werden spezifische Werte, auch von Randgruppen, nicht selten als Allgemeingültig hingestellt.
Oberflächlich könnte man meinen, es solle der Sexualakt erläutert werden. In der Tat scheinen etliche mittlerweile leicht zugängliche Unterrichtsmaterialien in diese Richtung zu gehen, ausgehend von unterschiedlichen Praktiken bis hin zu theatralischen Übungen.
Dabei stellt sich die Frage: Warum sollte so etwas Stoff für den Unterricht sein? Bei der Sexualität handelt es sich nicht um ein kognitiv zu erwerbendes Wissensgebiet, sondern um einen Trieb, den jeder gesunde Mensch von selbst erfährt und der tief im Privaten verwurzelt ist. Die intellektuelle Thematisierung vor Fremden kann sogar schädlich sein.
Den Vertretern dieses Ansatzes ist das durchaus bewusst, weshalb sie auf sekundäre Aspekte verweisen, um die es eigentlich gehe: Toleranz gegenüber Menschen, die sich über ausgefallene Sexualpraktiken definieren, sowie Möglichkeiten der Verhütung von Krankheiten und/oder der Zeugung von Nachwuchs.
Dass die Inhalte primär ethischer Natur sind, wird nicht abgestritten, sondern oft sogar als Auftrag verstanden. Kritik am reinen Lehrinhalt, also wie der Trieb umgesetzt werden kann, wird als überzogen zurückgewiesen, da es darum ja nur äußerlich gehe. Der Vorwurf eines Eingriffs in die private Entwicklung der Schüler, einer von außen an Kinder herangetragenen Beschäftigung mit deren Triebleben, wird als prüde und weltfremd abgetan, Übergriffigkeiten in diesem Rahmen werden abgestritten und man setzt einen ethischen Konsens voraus, der so nicht besteht.
Tatsächlich handelt es sich aber weder bei der Verhütung, noch bei der Förderung des Triebverhaltens um unumstrittene Werte. Eher könnte ein in der Biologie angesiedelter Sexualkundeunterricht die Zeugung und somit auch die Entwicklung des Lebens aufzeigen, Verhütung wäre dann eine Störung. Oder auch das Triebverhalten könnte neutral dargestellt werden, indem auf dessen Suchtpotential hingewiesen würde und Kulturleistungen aufgezeigt würden, mit Trieben sozialverträglich umzugehen.
Die Kritik am Sexualunterricht bezieht sich also einerseits auf Übergriffigkeiten bei der Thematisierung eines Verhaltens, das sinnvollerweise gar kein Unterrichtsgegenstand sein kann, andererseits aber auch auf Implikationen, die ein Menschenbild voraussetzen, das längst nicht jeder teilt: Der Mensch als durch seine Triebe definiertes Wesen, dessen folgenloser Lustgewinn von hoher Priorität ist.
Die eigentlichen Fragen, die zum Sexualkundeunterricht diskutiert werden sollten wären darum eher folgende:
– Welches Menschenbild soll unseren Kindern vermittelt werden?
– Was sind die Gefahren, wenn man in eine Welt entlassen wird, deren primäres Ziel nicht der Respekt vor der Person des Einzelnen ist?
– Was ist ein gesunder Umgang mit anderen sowie mit sich selbst und wie kann ein gemeinschaftliches Leben in Achtung vor der Würde des Gegenübers gelingen.