Wenn ein Mensch Lebensfreude ausstrahlt, dann ist es unsre jüngste Tochter, Finja. Wachsam erkundet sie mit ihren eineinhalb Jahren die Welt, jede Form der Aufmerksamkeit erwidert sie mit einem warmherzigen Lächeln. Auch Fremden fällt gleich auf, wie entspannt und fröhlich dieses Kind ist. Sie ist unser aller Stolz, Ruhepol und Sonnenschein der ganzen Familie.
Eine große Hilfe ist sie auch unserem Neuzugang, der vor einer Woche das Licht der Welt erblicken dürfte und der gerade wenn ihn der Hunger drückt, immer gleich nahe der Panik ist. Panik hingegen kennt Finja gar nicht und könnte sie es bereits, würde sie über so ein Verhalten wohl den Kopf schütteln. Stattdessen schaut sie ihn ruhig und verwundert an und versucht Händchen zu halten – was ihn beruhigt.
Unsere Älteren sind nach wie vor begeistert von Finja. Sie wird umhegt und umpflegt, und auch wenn sie vieles noch nicht umreißen, sie spüren doch, dass Finja ein ganz besonderer Mensch ist. Meistens sind es äußere Einflüsse, die Anstoß zum Nachdenken oder gar zur Sorge geben. So war es für die Kinder anfangs befremdlich, dass andere Babys aus unserem Bekanntenkreis gar keine Magensonde benötigten. Mittlerweile haben sie auch aus dem Kindergarten erfahren, dass Finja „behindert“ ist. Was sie aber unter diesem Begriff zu verstehen haben, ist ihnen noch nicht ganz klar.
Finja hat eine komplexe Hirnfehlbildung und Fachärzte räumten ihr erst nur eine äußerst geringe Überlebenschance ein, wie wir später erfuhren. Damit wir wenigstens ein paar Tage etwas von ihr haben, gab man sie uns recht schnell nach der Geburt direkt aus der Intensivstation mit nach hause. Von da an aber machte sie Fortschritte. Sie entwickelt sich langsam, aber stetig.
Natürlich ist ihr junges Leben von vielen Krankenhausaufenthalten geprägt, was auch die anderen Kinder nicht unbeeindruckt lässt. „Krankenschwester auf der Intensivstation für Kinder“ will unsere Älteste einmal werden. Und auch ihr Musikgeschmack ist von Finja inspiriert, seit sie den christlichen Kinderliedermacher „Gerhard Schöne“ entdeckt hat, mit Stücken wie „Lena war krank“ oder „Brief an Debora“.
Es ist beeindruckend zu sehen, wie perfekt die Kinder harmonieren, wie wichtig sie füreinander sind. Noch heute ist Finja für unsere Zweitälteste eine ganz besondere Bezugsperson. Wenn sie mal Ärger mit uns Eltern hat, wenn die Welt hart und ungerecht ist, dann geht sie zu ihr und lässt sich trösten. Das Lächeln, die liebevollen Laute, die sie von sich gibt und ihr warmherziges, tiefentspanntes Wesen sind die beste Medizin, um gleich wieder ein fröhliches Gesicht hervorzubringen.
Ganz anders sind oft Reaktionen aus dem Umfeld. Viele drücken mitfühlend ihre Bewunderung aus, „wie wir das alles schaffen“, wobei Finja das pflegeleichteste Baby ist, das man sich vorstellen kann. Sie weint nur, wenn sie wirklich Schmerzen hat, sie spielt allein mit ihrem Spielebogen (was keines der anderen getan hat), hilft beim Umziehen sowie bei der Körperpflege so gut sie kann und dabei strahlt sie derart freudig, dass man gleich ein schlechtes Gewissen hat, wenn man sich mal kurz nicht um sie kümmern konnte. Natürlich gab es auch vor der Geburt den vorsichtigen Rat, man solle sich doch überlegen, ob man das Kind wirklich wolle. Ehrlicherweise muss ich aber sagen, dass das die Ausnahme war und es gerade von Ärzten und Institutionen keine Beeinflussung in diese Richtung gab. Alle Beteiligten haben sich jederzeit rührend und kompetent um die Kleine gekümmert.
Warum nun schreibe ich das alles?
Der äußere Anlass ist ein Gespräch, das ich gestern mit einem Freund geführt habe. Es ging am Rande um eine Kuriosität unserer Bürokratie. So müssen wir aufgrund der neuen Datenschutz-Verordnung regelmäßig einen Stapel an Papier unterschreiben, damit ein Arzt Informationen an einen weiteren Behandelnden durchreichen darf, was ja allein zum Wohl des Kindes geschieht. Hätten wir uns damals aber für eine Abtreibung entschieden, hätte vermutlich eine einzige Unterschrift genügt.
So komme ich nun zum eigentlichen Thema, der Abtreibungsdebatte. Immer wieder ist zu lesen, dass Menschen Kinder abtreiben, um ihnen angebliches Leid zu ersparen. Sie denken, ein Leben mit Einschränkungen, sei es nicht wert, geführt werden zu dürften. Lieber tot als krank, lautet da die Devise. Die Herzenskälte, die aus vielen Beiträgen spricht, wenn Eltern ihren Kindern Namen geben und sie dann unter schönfärbenden aber tödlichen Begriffen ausradieren lassen, geht mir sehr nahe. Mittlerweile kann ich derartige Artikel auch nicht mehr lesen, es ist einfach zu abstoßend.
Finja wäre kein Leid erspart geblieben, wenn wir sie hätten töten lassen, ihr wäre ein Leben verweigert worden, ein Leben, das sie ganz offensichtlich aus vollen Zügen genießt, zu ihrem und zum Wohle aller, die sie kennen!
Besonders perfide ist es, wenn ein derartiger Auftragsmord, wie es Papst Franziskus kürzlich genannt hat, als medizinischer Eingriff, als soziales Engagement und gar als moralische Notwendigkeit bezeichnet wird. Nichts in diesem Land, nichts in dieser Zeit, zeigt die Verwahrlosung unserer Gesellschaft deutlicher, als die gängige Praxis, unsere Kinder dem Hedonismus zu opfern und dies mit frömmelnden Worten als Errungenschaft anzupreisen.