Immer wieder liest man, die deutsche Kanzlerin handle vornehmlich aus dem Motiv christlicher Nächstenliebe heraus. In wie weit das zutrifft ist allerdings mehr als fraglich.
Für die These werden meist christlich wirkende Äußerungen und Umstände aus ihrem Werdegang angeführt. Ihr Elternhaus beispielsweise, auch wenn man bei einer Pfarrerstochter mit zahlreichen Privilegien zu Zeiten der DDR eher von einem linientreuen kommunistischen Umfeld ausgehen sollte. Gerne spricht Merkel im Plauderton von ihrer christlichen Prägung, oder auch davon, dass der lasche Glaube hierzulande eine größere Gefahr darstelle als ein dominanter Islam. Dass sie von ihrer Kompetenz in Glaubensfragen überzeugt ist, hat sie spätestens durch die Zurechtweisung des Papstes Benedikt XVI deutlich gemacht, worin ihre Expertise aber liegt, war bislang unklar. Heute meinen es viele zu wissen: Mit offenen Armen ruft sie christusgleich alle zu sich, die von schweren Lasten geplagt sind (Mt. 11,28). Hybris nennen das die einen, ein heiligmäßiges Mutter-Theresa-Verhalten die anderen.
Sieht man das Wirken der aktuellen Regierung über einen längeren Zeitraum, werden die Anfragen an eine angeblich christliche Pragmatik deutlicher. Wo war die christliche Hilfsbereitschaft z.B. gegenüber Italien, als es um die Grenzsicherung in den letzten Jahren ging? Wie hat sich die Stellung der Familie als Keimzelle der Gesellschaft unter Merkel entwickelt? Ehe und aus ihr hervorgebrachte Kinder sind für christliche Gesellschaftsentwürfe keine unwichtigen Themen. Wie sieht es mit der Aufrichtigkeit aus? Ehrlichkeit (Mt. 5,37) und Vertrauen bedingen einander; durch Beugen und Brechen nationaler und internationaler Abmachungen stellt man keine christliche Grundhaltung unter Beweis. Schlussendlich sollte, wenn man sich als Christ empfindet, auch die Solidarität mit den verfolgten Glaubensbrüdern nicht aus dem Blick geraten. Die diesbezügliche Bilanz der Regierung Merkel ist bloß noch beschämend.
Will man Merkels tatsächliche Motivation in den Blick nehmen, dürfte der schon erwähnte Verweis auf ihr Elternhaus einen Schlüssel bieten. Sozialismus und Christentum sehen für Dritte nicht selten ähnlich aus und wer hier geschickt mit Bildern zu spielen weiss, kann leicht das eine für das andere verkaufen. Natürlich gibt es deutlich sichtbare Hinweise zur Unterscheidung – von der Auflösung rechtsstaatlicher Gewaltentrennung, bis hin zur inhaltsleeren Pragmatik, einer fast zum Sprichwort erhobene Untätigkeit mit einzigem erkennbaren Streben nach dem Erhalt der Macht.
Am deutlichsten aber zeigt sich die Grundausrichtung der Regierung „Merkel“ im Blick auf die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips: so viel Staat wie nötig, so wenig wie möglich. Dieses der christlichen Sozialethik entliehene Prinzip (eigentlich auch die Leitlinie für alle politischen Vollzüge der Europäischen Union gedacht) widerspricht dem Sozialismus im Kern. Hier zeigen sich die Wurzeln der Politik Merkels offen als zutiefst unchristlich. Der Staat als Gemeinschaft von Menschen unter einer als Alternativlos verkauften Idee, erhebt das Machbarkeitsprinzip zum Dogma. Der Subsidiarität wird ein pelagianisches „Wir schaffen das!“ als oberster Leitsatz entgegengestellt, der christliche Ansatz von Verantwortlichkeit und Freiheit wird durch den totalitären Zwang zur Humanität erstickt.