„Richard David Precht zum Thema Verantwortung für Natur“ …

…ist ein Vortrag auf YouTube überschrieben. Nun. Zur Verantwortung erfährt man da wenig. Aber der Titel ist ja auch nicht von Precht selbst.

Der Vortrag bildet den Auftakt einer Promotion-Kampagne eines Naturkundemuseums. Verständlich, dass man dort auf den medial äußerst präsenten und positiv besetzten Vorzeigeintellektuellen setzt. Dieser, wiederum, tut seine Arbeit. Er liefert ab. Zwar nicht wirklich philosophisch, auch nicht intellektuell, aber immerhin die passenden ideologischen Phrasen, eloquent vorgetragen.

Im Grunde ist die Botschaft einfach. Weil wir die Technik ausbauen, verschwenden wir Ressourcen und heizen den Klimawandel an. Dieser wird in absehbarer Zeit für die Unbewohnbarkeit der Erde sorgen und der einzige Ausweg ist es, zu alten Naturreligionen zurückzukehren um Eins mit der Natur, der bösen Technik den Weg zu versperren.

Was hat das mit Verantwortung zu tun? Richtig. Nichts.

Doch schauen wir uns dieses philosophische Traktat ruhig etwas genauer an.

Als Einstieg, auch um eine Verknüpfung mit dem Ort des Vortrages zu haben, beginnt Precht mit einer Anspielung auf das Aussterben der Dinosaurier. Dass dies dem Menschen nicht in die Schuhe geschoben werden kann, übergeht er geflissentlich, das passt nicht ins Konzept. Gerade hier aber drängt sich die Frage auf, ob wir ohne Technik nicht auch den Weg der Saurier vor uns haben und ob sie nicht viel eher ein Ausweg wäre, nicht nur uns, sondern auch anderes Leben zu bewahren.

Precht stellt sich die Frage nicht, sondern kommt gleich ohne Überleitung auf sein Lieblingsthema. Das Geld. Allerdings, diesmal hält er sich dort nicht lange auf und geht gleich zum bösen Endgegner, dem Silicon Valley über, Ursache für seine Endzeitstimmung. Prechts These: Wir steuern auf eine Ablösung des Menschen durch Maschinen zu, sehen diese Entwicklung sogar als natürlichen Schritt der Evolution an, dennoch behagt den meisten der Gedanke irgendwie nicht.

Um diesem dystopischen Szenario zu entgehen, müssen wir persönliche Einschränkungen hinnehmen. Wer hätte das gedacht? Es folgen sogar zwei Beispiele. 
Smartphones zu Gunsten von Tierbegegnungen einschränken, sowie Blockbusterfilme a la Jurassic Park weniger schnell schneiden und die Dinos dort nicht so brüllen lassen (das bietet dann mehr Kontemplation).

Gerade den zweiten Punkt finde ich durchaus originell. Allerdings, und das ist wohl der eigentliche Grund für meine Überraschung, eine philosophische Argumentation habe ich mir dann doch anders vorgestellt.
Im Folgenden hätte es dann interessanter werden können. Precht meint, wir sollten begreifen, dass wir Teil der Natur sind, diese uns nicht entgegen steht. Er sieht einen qualitativen Unterschied zwischen Mensch und Technik, aber keinen zwischen Mensch und Natur. Wir sollten uns als Teil der Natur vor der Technik verwahren und nicht versuchen, mit ihr Eins zu werden.

Das wirft Fragen auf. Leider folgt dann aber bloß die Aufforderung, auf dem „zweiten Bildungsweg“ wieder mehr Wissen über die Natur zu erlangen, quasi verlorenes Wissen der Naturvölker erneut zu erschließen. Erwartet hätte ich mir eine Erklärung, wie sich der Mensch zur Natur verhält. Wenn er wirklich eins mit ihr ist, warum sollte er sie schützen – und wovor? Ist er es nicht, vielleicht sogar weil er die Technik hervorgebracht hat, dann wäre auch dieses Verhältnis zu klären. Was ist Technik in Bezug auf den Menschen und somit auch im Bezug auf die Natur?

Eine Erklärung bleibt Precht uns schuldig. Statt dessen zementiert er seine Behauptung mit bunten Bildern.

So behauptet er einseitig, wir verlören uns in einer Art Konstruktivismus, in dem wir alles Körperliche, alles Natürliche, das (wie er sagt) was an uns stinkt oder haarig ist, zu Gunsten einer virtuellen Realität ohne Sinne, eintauschen wollten. Seine Befürchtung ist, dass wir das in absehbarer Zeit sogar können. Dass wir auf der anderen Seite gerade in den Naturwissenschaften empirisch vorgehen und somit ganz konkret mit den Materialien der Natur umgehen, findet keinerlei Erwähnung. Ebenso verliert er kein Wort darüber, wie die Technik, die doch dem menschlichen Geist entsprungen ist, also dann ebenso Teil der Natur sein muss, auf einmal derart eigenständig als Gegenüber aufgefasst werden kann.

Im besten Sinne aller Moralisten malt er halt lieber Horrorszenarien: Wir streben nach Precht eine Welt an, in der wir ewiges Leben erlangen, indem alles, was wir an uns und unserer Natur nicht mögen in Maschinen auslagern, sei es im Sinne immer komplexerer Vernetzungen oder aber durch den Ausbau von Medizintechnik. Der Preis für dieses Streben sei unausweichlich die Zerstörung der Grundlage des Lebens, denn schon in 80 Jahren könnte dieser Planet dadurch unbewohnbar werden.

Precht nennt es die Asymmetrie unserer Zeit: Leben werde verlängert, aber durch den Energieaufwand werde das Klima derart verändert, dass der Planet gar lebensfeindlich werde.

Warum das zwangsweise so kommen muss, wird nicht erklärt. Im Gegenteil hat man den Eindruck, dass der Klimawandel aus politischen Gründen unbedingt erwähnt werden muss. Überhaupt scheut sich Precht nicht, in die Tiefe der politischen Schmuddelkiste zu greifen und Politiker mit windigen Aussagen zum Kohle- und Atomstrom anzuführen, so lobt er, dass heute Begriffe wie Bio und Nachhaltigkeit endlich aus den Hinterhöfen verlotterter Kommunen an die Öffentlichkeit kämen.

Precht gibt an keiner Stelle eine Begründung für seine Thesen. Es ist nicht erkennbar, dass hier versucht wird, den Menschen und seine Umwelt zu analysieren, Gefahren und Möglichkeiten abzuwägen oder wenigstens zu erklären, wie sich der Mensch, basierend auf einer zeitgemäßen Anthropologie moralisch anspruchsvoll verhalten kann. Stattdessen geht es um Stimmungen. Um eine Endzeitstimmung, um Politik und eine form mystisch verbrämter Naturreligion, die er abschließend zusammenfasst:

Das Stichwort heisst „Biodiversität“, er will den mystischen Funken zurückgewinnen, den frühere Hochkulturen hatten, (und den wir uns auf dem zweiten Bildungsweg, wie er gleich zweimal betont wieder aneignen müssen). Man müsse die Faszination der Lebewesen erhalten. Mehr nicht.

In seiner Schlichtheit, sowie der Anspielung auf Mythen, musste ich an Höcke denken, mit seinem Kyffheusermythos, nur dass der eine für Tiere, der andere für die deutsche Volksgemeinschaft eintritt.

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Thod Verfasst von:

Glaube denen, die die Wahrheit suchen, und zweifle an denen, die sie gefunden haben.