Die Skihütte, auf der ich kürzlich war, ist mit ausgestopften Raritäten, vom Wildschwein bis zum Auerhahn, reichlich ausgestattet. „Die armen Tiere“, vernahm ich gleich als erstes die Bemerkung eines Mädchens, welches im Flur an ein paar solcher Exponate vorbei musste.
Mädchen sind emotional, hätte ich früher gedacht. Das ist typisch für das Alter. Alles an Tieren, was einigermaßen putzig aussieht, ist zum Streicheln da. Natürlich kennt die Naivität weder Krankheit noch Tod, sie beginnt die Schönheit der Natur zu erfassen, aus unserem geschützten zivilisatorischen Rahmen heraus, der Gefahren ist sie sich nicht bewusst.
Aber heute ist das anders. Heute ist diese Infantilität vor allem bei Jugendlichen und Erwachsenen aus der sog. Bildungsschicht weit verbreitet.
So war es vielleicht nicht ganz zufällig, dass sich aus ein paar Fragen meiner Ältesten am Tag darauf ein intensiveres Gespräch über Mensch und Natur ergab, welches heute dann einen völlig unvorhersehbaren Abschluss fand.
Wir waren auf dem Weg zur Partnachalm. Der Waldweg zieht sich sanft am Hausberg entlang, streift ein paar Lichtungen und lädt zum Gespräch ein. Was liegt da näher, als Naturbetrachtungen. Jemand wendete Heu manuell mit dem Rechen, die Herbstsonne hatte das nasse Gras der Frühe schon fast durchgetrocknet.
„Wozu baucht der Mann denn das Heu?“ Begann die Siebenjährige das Gespräch.
So erzählte ich vom Winter, von Kühen auf den Almen, dem Heu im Tal, dem Almabtrieb und den Kosten, die entstehen, wenn man für die Tiere nicht ausreichend Winternahrung vorbereitet hat.
Völlig klar war es uns beiden, dass der Mensch eine Verantwortung trägt, den domestizierten Tieren gegenüber, deren Erzeugnisse bis hin zum Fleisch er nutzt. Beim Schlachten und Essen gingen die Meinungen in der Theorie allerdings auseinander. Nicht dass sie nicht auch gerne Fleisch auf dem Teller hat – ab er dass Tiere dafür getötet werden, das missfiel ihr nicht weniger, als dem Mädchen tags zuvor der Anblick der ausgestopften Vögel.
Das Gespräch wandte sich somit allgemein dem Thema Tod und Krankheit zu. Natürlich ist es nicht schön zu sterben, es ist auch nicht schön zu leiden, aber die Alternativen dazu sind rar. Beschützt man Tiere vor ihren Fressfeinden, muss der Jäger verhungern. Dass Katzen Fleisch zum Überleben brauchen, ist nun einmal so.
Auch ist es fraglich, ob ein langsamer Tod durch Krankheit in der Wildnis dem Tod als Beutetier immer vorzuziehen ist. Es gibt keine Tierärzte im Wald. Die größte Anzahl aller Lebewesen kennt keine Schmerzmittel, keine Operationsmöglichkeiten oder Antibiotika.
„Warum“, so meine Tochter, „gehen die Tiere denn nicht einfach zum Tierarzt?“ Es wollte ihr nicht einleuchten, dass man nicht auch Wildtieren beibringen kann, dass sie bei Schmerzen zum Arzt gehen können. Die Mutter ist Tierärztin, sie würde sich bestimmt um die Tiere kümmern und mit der Zeit würde sich das dann bei den anderen herumsprechen.
Hier musste ich passen. Dass Tiere ein solches Verhalten dem Menschen gegenüber nicht lernen, wenn sie nicht mit dem Menschen aufwachsen, war nicht vermittelbar. Was hingegen schon der Zweitklässlerin einleuchtete war, dass der Mensch das einzige Wesen ist, das mit seiner Technik, mit seiner Medizin und seinem Mitleid effektiv in der Lage ist, anderen Tieren zu helfen. Selbst der gezielte Schuss eines Jägers um ein Reh zu erlegen erschien nicht mehr so grausam, im Vergleich zu den Methoden der Natur, den Tod einzuleiten.
Das letztlich überzeugende Argument für den Widerwillen der Tiere sich helfen zu lassen, präsentierte sich heute von ganz allein. Wir sahen an der Würm eine Ente mit einem Plastikring um den Hals, der sie am Schwimmen und vermutlich auch am Fressen hindert. Auch die beste Absicht, viel Geduld und sicher auch kein reines Ungeschick waren allerdings nicht in der Lage, die Ente einzufangen oder ihr sonstwie zu helfen.
Hilfe ist also ganz offensichtlich nicht möglich, wo der Bedürftige sie nicht annimmt und erst recht auch nicht da, wo sich Natur und Mensch nicht kennen.