Die Sache mit der Angst

Je mehr wir den Tod aus unserem Alltag verdrängen, desto näher rückt er, wofür die Abtreibungs- und Euthanasiedebatten im Inneren sowie Terrorismus und Krieg im Äußeren eindrucksvoll Zeugnis ablegen.

Unsere Zeit ist in einer ganz besonderen Weise durch eine Ästhetik des Todes, eine Ethik des Zerfalls, sowie eine relativistische Ontologie gekennzeichnet, ergötzt sich dabei aber im Gegenzug am Bild eines jugendlichen, kräftigen und vermeintlich überaus kraftstrotzenden Islam. Nicht anders kann ich es mir erklären, dass wir den brutalen und brachialen Praktiken von Gruppen wie dem IS oder der Boko Haram über Jahre hinweg tatenlos zusehen und die Akteure der Gemetzel schließlich in einer beispiellosen Geste zu uns herbitten, als gälte es den trojanischen Mythos mit einem alles übertrumpfenden neuen historischen Akt in den Schatten zu stellen. Wenn wir schon nichts Fruchtbares mehr zustande bringen, dann soll das Ende wenigstens mit allem Pomp inszeniert werden, so der Eindruck, den man gewinnen kann.

Nun kann man sich damit als Christ abfinden. Man kann der Aufforderung der Kanzlerin folgen und sich zum beten zurückziehen, man kann sich auf ein Martyrium einstellen oder sich auf mannigfaltige Weise ablenken und betäuben. Aber auch wenn man es schafft sich einzureden, dass alles nicht so schlimm werden wird, die ruhige Gewissheit dem Verderben zu entrinnen, oder wenigstens dem Tod gelassen in der Nähe des Herrn zu begegnen, will sich nicht so leicht einstellen; es wachsen Zweifel.

Da ist zum einen die Verantwortung, die man den Seinen gegenüber trägt. Ist es mit einer letztlich egoistischen Selbstaufgabe schon getan? Hat man nicht Sorge zu tragen, für dasjenige, was einem anvertraut ist? Zumindest das Gleichnis von den anvertrauten Talenten könnte zu einer solchen Sichtweise führen. Wenn man offen in die Welt blickt, wird man selbst die ärgsten Befürchtungen anhand von aktuellen Berichten und Bildern nicht von der Hand weisen können und auch noch so vehement beschworener Optimismus wird brüchig, wenn man versucht, einfache Fragen zu beantworten.

Wo wurde Menschen je ein Leben in Frieden versprochen und gewährt? Ist es nicht eher eine anthropologische Konstante, dass wir uns quälen, foltern und töten? Weit müssen wir für diese Erkenntnis nicht schauen. Selbst wenn die Christianisierung ein solches Verhalten gebremst haben sollte: Wie verhält es sich in einer immer säkularer werdenden Gesellschaft? Oder anders gefragt: Wäre man als Terrorist an einer Schaltposition im Islamischen Staat – warum sollte man die einmalige Gelegenheit der Grenzöffnung nicht nach besten Möglichkeiten nutzen um seine Leute zu positionieren? Was spricht da auch nur im Ansatz dagegen?

Wer mit Gefahr und Tod nicht kokettiert tut gut daran, eine natürliche Angst zu empfinden. Daran ist auch nichts auszusetzen, selbst Christus hatte am Vorabend seines Todes Angst. Sich und anderen einzureden, dass es dafür keinen Grund gebe, halte ich für unverantwortlich. Allerdings darf die Angst nicht lähmen, sie soll im Gegenteil zur Wachsamkeit anregen. Wir sollten auf der Hut sein, sowohl vor inneren als auch vor äußeren Feinden und uns dabei dennoch nicht die Offenheit nehmen lassen, nach wie vor auf Menschen, Freunde wie Fremde, freundlich und hilfsbereit zuzugehen: weder naiv noch hartherzig.

Thod Verfasst von:

Glaube denen, die die Wahrheit suchen, und zweifle an denen, die sie gefunden haben.