Homosexualität ermöglicht für den Betreffenden zuerst einmal einen positiven Zugang zu Menschen. Die Attraktion durch das eigene Geschlecht bedeutet in gleicher Weise eine Möglichkeit zu Offenheit und Hingabe dem anderen gegenüber, wie eine heterosexuelle Präferenz. In wie weit man berechtigt sagen kann, die eine oder andere Veranlagung könne das Sozialgefüge stärken, wird jedoch kaum abschließend zu klären sein – dass aber das Engagement füreinander allerdings grundsätzlich Gutes im Menschen fördert, scheint mir evident.
Ob es sich bei der Homosexualität um einen Defekt handelt, liegt darum nicht ganz so offensichtlich auf der Hand, wie oft angedeutet. Biologisch hindert die Veranlagung weder am Zeugen, noch am Gebären. Im Gegensatz zur Rot-Grün-Blindheit, die sich körperlich direkt einschränkend auf die Person auswirkt, kann sich eine sexuelle Präferenz erst durch Sozialverhalten gesellschaftlich auswirken, welches nicht kausal auf die Veranlagung alleine zurückzuführen ist.
Aus der sexuellen Prägung eines Menschen ist auch nicht ableitbar, wozu er befähigt ist und wofür nicht. Dies gilt im Technischen ebenso, wie im Sozialen. Ein Kind ist beispielsweise bei liebevollen Homosexuellen weitaus besser aufgehoben, als in einer staatlichen Institution oder bei einem unsensiblen heterosexuellen Paar. Niemand ist ein guter oder schlechter Mensch, weil er sich von Männern oder Frauen angezogen fühlt, ganz egal, welches Geschlecht er selbst hat. Eine homosexuelle Veranlagung ist keine ethische Qualifikation, aber auch kein Malus.
Davon unberührt ist eine Partnerschaft, egal ob aus Verpflichtung oder Liebe heraus, noch lange keine Ehe. Voraussetzung der Ehe ist es nämlich, eigene Kinder in die Welt setzen zu wollen und diesen ein stabiles, geschütztes Zuhause zu bieten. Dazu gehört die Vermittlung von Liebe und Vertrauen, sowie die Beständigkeit in der treuen Zusage, in guten wie in schlechten Zeiten bis zum Tod an der Ehe festzuhalten. Dass es Menschen gibt, die dazu nicht Willens oder in der Lage sind, kann das nicht umdeuten – man sollte aber für andere Gemeinschaftsmodelle auch andere Namen finden; alles andere ist Etikettenschwindel.
Problematisch ist nicht, dass sich zur Ehe alternative soziale Gemeinschaften bilden – das gab es immer. Schädlich für die Menschen, insbesondere für Homosexuelle ist die verstärkte Sexualisierung der Gesellschaft, die insbesondere durch Verbände und Initiativen einer Homosexuellenlobby vorangetrieben wird. Ich denke nicht, dass eine Mehrheit der Homosexuellen (und schon gar nicht der Gesamtbevölkerung) für dieses Anliegen eintritt, doch politisch ist das irrelevant. Die katholische Kirche zeigt sich hier als einzige vernehmbare Opposition und steht darum unter Dauerbeschuss, insbesondere dort, wo sie sich für das Private als Basis persönlicher Entfaltung einsetzt – und zwar ganz unabhängig der sexuellen Veranlagung.
Hinter antikirchlichen Schlagworten wie „Homophobie“, „Frauenfeindlichkeit“, oder auch je nach Situation „sexuellem Kindesmissbrauch“ und „Leibfeindlichkeit“, steckt letztlich ein Hauptanliegen: die Abschaffung des Schamgefühls, welches den Einzelnen vor universellem Zugriff schützt. Die Schamgrenze hindert das Auge der Öffentlichkeit tief in die Seele des Menschen zu blicken, indem sie ein Refugium verbirgt, welches nur bei größtem Vertrauen mit jemand anderem geteilt wird und bei dessen unbefugtem Zutritt tiefe seelische und psychische Schäden zu erwarten sind. Wundert es da jemanden, dass eine moderne demokratische und wirtschaftliche Gesellschaft, in der angeblich niemand etwas zu verbergen braucht, dagegen Sturm läuft?
Meiner Ansicht nach wurden und werden Homosexuelle hier an erster Stelle missbraucht. So erwartet die Gesellschaft von Schwulen zwanghaft, sich öffentlich zu ihren sexuellen Vorlieben zu bekennen, scheinbar ausgleichend wird dann unter dem Mantel einer Gender-Mainstreaming-Philosophie so getan, als könnten man sich die sexuelle Ausrichtungen frei wählen, was dann aber längst nicht in jede Richtung gilt. Immer wird dabei krampfhaft versucht, das Privateste, also die persönliche Sexualität, an die Öffentlichkeit zu zerren. Das Resultat ist eine Neuschaffung menschlichen Selbstverständnisses: die Identifikation der Person über einen Trieb. Scheinbar sieht man das Ergebnis bei Homosexuellen mittlerweile als so gelungen an, dass man das Konzept sexueller Früherziehung nun schon in die KITAs trägt.
Parallel dazu wurde der Gebrauch von Verhütungsmitteln mittlerweile derart perfektioniert, dass längst nicht mehr ersichtlich ist, warum kinderlose heterosexuelle Paare (die dies auch dauerhaft bleiben wollen) von homosexuellen Paaren getrennt zu betrachten sind – funktional gibt es da keinen Unterschied. So können bei Homosexuellen erkannte Mechanismen, die zur primären Identifikation über das Sexualverhalten führen, relativ einfach auch auf die weitere Bevölkerung übertragen werden. Dem modernen Menschen wird so unter dem Deckmantel freier Entfaltung etwas Wesentliches genommen, denn was man öffentlich vor sich her trägt, eben auch die sexuelle Präferenz, wird zum Stereotyp einer Gruppierung, der man sich unterordnet. Menschen, die im Gegenüber nicht mehr die Person, sondern vornehmlich das „Objekt der Begierde“ oder gar den Fetisch sehen, mutieren zu einer Art ferngesteuerter Zombies.
Vor diesem Hintergrund plädiere ich vor allem für mehr Privatsphäre. Gerade das Refugium hinter der Schamgrenze wird diesbezüglich immer wichtiger. Für Christen heißt das, dass es uns letztlich nichts angeht, wer wann mit wem in welcher Weise das Bett teilt. Wenn wir unsere Sexualität im Griff haben, ist das nichts, was wir anderen um die Ohren hauen müssten – es gibt genug Ansatzpunkte sich für das eigene Verhalten zu schämen, da reicht ein Blick auf die Todsünden und die Frage, zu welcher man selbst am stärksten neigt. Ebenso heißt es aber auch, dass wir die Familie als Keimzelle und Rückzugsgebiet für uns und unsere Kinder hoch halten, dass wir unser Leben der übersexualisierten Welt zum Trotz in den Dienst der Kirche stellen und in der Gesellschaft aktiv für christliche Tugenden eintreten. Katechese und Evangelisierung in Europa beginnt nicht beim Moralisieren, sondern beim Erklären des christlichen Menschen- und Gottesbildes sowie beim Werben dafür, die Würde des Menschen nicht weiterhin anzutasten.