Privatsphäre

„Share your Data“ soll ja nun das neue „Open-Source“ werden.

Sieht man diesen Trend skeptisch, wird einem häufig entgegnet, dass sich die Mentalität der Jugend ändert. Man käme weg von alten Vorstellungen des Privaten, hin zu einer globalen und offenen Haltung.

Tatsächlich hat sich in den letzten Jahre auch vieles in dieser Hinsicht getan, man denke nur an Telefonzellen, ohne deren geschlossener Türe man früher niemals private Gespräche geführt hätte.

Dennoch denke ich, man sollte das Verbreiten von Bildern des letzten Mittagessens im erweiterten „Freundeskreis“ nicht im Sinne einer Aufhebung des familiären Schutzbedürfnisses fehlinterpretieren. Viele scheinbar freizügigen Verhaltensweisen deuten eher auf Trägheit im Denken hin, oder aber auf die Furcht, sich sozial zu isolieren. Ein Gefährdungspotential lässt sich leicht verdrängen, solange Staat und Wirtschaft ihre Möglichkeiten nicht auf breiter Front ausrollen und der Verzicht auf bestimmte Netzwerke bedeutet für nicht Wenige, sich ihrer primären Kommunikationswege zu entledigen.

Im Gegenzug zum radikalen Veröffentlichen privater Umstände zeigt sich aber auch bei der jungen Generation, dass neben der bunten und offenen Scheinwelt nach wie vor Wert auf Intimität und Verborgenheit gelegt wird. So reißt die Diskussion über Möglichkeiten den Mailverkehr zu anonymisieren nicht ab, auch wenn bis heute keine wirklich praktikable Lösung etabliert ist. Die Vorstellung großer Provider, ihre Mitglieder würden sich in absehbarer Zeit mit Datenbrillen in virtuellen Räumen treffen, geht einher mit der Möglichkeit sich dort eben nicht persönlich, sondern mit dem Avatar seiner Wünsche zu präsentieren. Wo es einfach ist, sich der Öffentlichkeit zu entziehen, wird das gerne angenommen: Werbefilter, „Inkognito-Fenster“ in Browsern, Fake-Profile, etc.

Derzeit scheint mir der Leidensdruck noch nicht stark genug zu sein, um dem Bedürfnis nach Privatsphäre langfristig und effektiv nachzukommen. Zwar hört man hier und da von Firmen, die jemanden aufgrund seines Internetprofils nicht eingestellt hätten, dass es die Möglichkeit gibt, aufgrund von Netzaktivitäten bei Geschäftspartnern in den Verdacht einer negativen Bonität zu gelangen, oder dass man grundlos ins Raster krimineller Suchmuster gelangen kann, aber konkret dürfte kaum jemand für ihn erkenntliche Nachteile in solcher Hinsicht erfahren haben, eine Zunahme von Depressionen und soziophobem Verhalten geht aber sicher nicht zufällig mit den modernen Entwicklungen einher.

Auf eine Bewegung folgt in der Regel eine Gegenbewegung. Ich sehe darum große Chancen in einem Markt, der Werkzeuge zur Verschleierung Einzelner im großen Datenpool anbietet. Das mag von Waschmaschinen ohne Internetanschluss bis hin zu Diensten reichen, die Benutzerspuren anonymisieren. Man darf gespannt sein.

Thod Verfasst von:

Glaube denen, die die Wahrheit suchen, und zweifle an denen, die sie gefunden haben.