Sicher mag es nicht immer geschickt sein, allzu deutliche Worte zu finden. Man kann Leuten auf die Füße treten, sie dadurch abschrecken, „vor den Kopf stossen” wie oft angeführt wird, oder gar beleidigen. Natürlich ist das alles unschön, doch auf der anderen Seite reden deutliche Worte nicht um den Brei herum und dienen damit der Wahrheit. Wer sich von Formulierungen abgestoßen fühlt, mag dies als Vorwand für eine inhaltliche Ablehnung nutzen, die er öffentlich nicht eingesteht. Gedient ist mit einer schwammigen Aussage letztlich keinem, abgesehen von einer vorübergehenden und meist trügerischen Ruhe, die nicht zuletzt verdeckte Agressionen schürt.
Aus diesem Grund heisst es in der Offenbarung 3,15/16 wohl auch:
„Du bist weder kalt noch heiß. Wärest du doch kalt oder heiß! Weil du aber lau bist, weder heiß noch kalt, will ich dich aus meinem Mund ausspeien.”
Ein Beispiel dieser, vermeintlich recht gut gemeinten, Lauheit durfte ich kürzlich in der Tiroler Tageszeitung lesen. Hier ein Ausschnitt aus einem Interview mit Bischof Manfred Scheurer:
TT: Welche Gründe gibt es für das Ansteigen des bewussten Atheismus in Tirol?
Scheuer: Vielleicht ist es ein Pendelschlag nach einer langen Phase, in der Glaube und Religion in Tirol sehr stark waren. Ich kann die Entwicklung nicht voraussehen, erwarte mir aber für die nächsten Monate nicht den großen Befreiungsschlag oder das große Umdenken. Ich möchte vielmehr beim Positiven ansetzen. Es gibt viel Erfreuliches in unserer Diözese und im Bereich der Pfarren. Die Pfarren sind sehr lebendig. Das wird oft zu wenig wahrgenommen, deshalb möchte ich das verstärken. Eine Trendwende kommt ja nicht durch moralische Kommandos von mir. Das muss auf einer anderen Ebene wachsen.
TT: Auf welchen Ebenen?
Scheuer: Wir suchen nach einer Erneuerung des Glaubens im persönlichen Bereich und auf der Ebene von Gemeinden und Gemeinschaften. Es benötigt den Dialog mit den gesellschaftlichen Kräften und mit den Nicht-Glaubenden, obwohl ich dieses Wort nicht so leicht in den Mund nehmen will, weil ich den Menschen den Glauben [nicht?] absprechen möchte. Ich will der Situation nicht mit Hysterie begegnen, sondern mit Nüchternheit, auch nicht naiv und nicht mit Feindbildern.
Wäre dies die Rede eines Politikers, würde man sagen: „Sicher — er will keine Klientel verscheuchen.”
Von einem Bischof hingegen erwarte ich ein „Hüten der Schafe”. Von einer (naturgegebenen) Pendelbewegung, einmal Richtung Glauben, dann wieder in Richtung Unglauben zu sprechen, ist im Hinblick auf das Wohl der Menschen und insbesondere auf deren Seelenheil (natürlich ist mal als Katholik auch dafür verantwortlich) reinste Zynik.
Die Feststellung, durch moralische Imperative käme keine Wende, ist zudem kein Grund, die Hände in den Schoß zu legen und auf ein reges Gemeindeleben zu verweisen (bei dem es sich wohl vor allem um Wunschdenken handelt). Den Glauben zur Privatsache zu erklären, mit dem Teufel in Dialog treten zu wollen, ihn aber ja nicht beim Namen zu nennen, rundet das Bild ab.
Derartiges Geschwätz langweilt in höchstem Maße und lockt niemanden hinter dem Ofen hervor. Eine treffendere Assoziation als die des Ausspuckens dürfte kaum zu finden sein, zu gut passt hier das Bild eines Hirten, der den Wolf nur wüten lässt, solange ihm ein kleiner Rest an Schafen zu melken bleibt.