Die Diskussion um das Tanzverbot ist mir dieses Jahr besonders auf die Nerven gegangen.
Ich habe mich ja bereits vor einiger Zeit einmal zu dem Thema geäußtert, aber ich möchte dennoch ein paar aktuelle Worte ergänzen.
Dass sich Menschen von einem Verbot, dass sie nicht verstehen und welches aus einer für sie unsympathischen Richtung kommt, nicht arrangieren wollen, leuchtet mir auch ohne lange Diskussion ein; ich kann den Unmut darum voll und ganz verstehen.
Für mich sieht die Forderung der Kirchen nach billiger Kraftmeierei aus, mit der sich die deutsche Staatskirche ihrer längst vergangenen Autorität noch eimal öffentlich und lautstark selbst versichert.
Ähnlich wie beim Arbeitsverbot an Sonntagen wird hier auf formalen Aspekten einer längst vergangenen christlichen Tradition herumgeritten, die der kirchenfernen Bevölkerung immer wieder vor Augen führt, dass da noch etwas ist, das nervt. Wollen wir das? Ist das unser Verständnis von Mission?
Seit mindestens 20 Jahren kann niemand, der die Augen auch nur ein wenig öffnet sagen, wir seien eine christliche Gesellschaft. Dafür kann weder der allabendliche Discogänger, noch der durchschnittliche Kampfatheist etwas, das ist einzig und allein Resultat des Versagens der hiesigen kirchlichen Institutionen mit ihren „Gläubigen“. Wir haben aus der Kirche ein Grüppchen (zu recht!) verspotteter Trottel gemacht, die sich vor allem Gedanken darum machen, wie sie den aktuellen Moden hinterher laufen, ihre Pfründe nicht verlieren und womit sie andere belehren können.
Soweit, so bekannt.
Vor diesem Hintergrund finde ich eine Argumentation, die ich die Tage öfter gelesen habe, bemerkenswert. So wird dazu aufgefordert, am Ostermontag zu arbeiten, kein Karneval mehr feiern und auf das Weihnachtsgeld zu verzichten, wenn man nicht auch Bußtage begeht. Ich habe diese Argumentation in verschiedenen Ausführungen gelesen, mal kürzer gefasst, mal mit reichhaltigen Anklängen an die christlichen Grundlegungen unserer Feste und fürchte, dass es wirklich Christen gibt, die das für einen weiterführenden Beitrag halten.
Dabei wird vollkommen übersehen, dass die christlichen Feiertage längst nicht mehr verstanden oder gar ihrem Sinne nach gefeiert werden. Das Kontingent an freien Tagen wird als Recht eines Arbeitnehmers angesehen, genauso wie niemand mehr den Sonntag als genuin christlich wahrnimmt. Wenn wir auf auf „unsere“ Feiertage pochen, wird man sie bestenfalls weiter umetikettieren, wo es nicht schon längst geschehen ist. Die Arbeitszeit wird das nicht tangieren, man feiert halt Hasenfest.
Und wo ich gerade dabei bin – wo bleibt eigentlich der Protest, wenn als Ablösung des Heiligenkalenders eine neue säkulare Feiertagsstruktur eingeführt wird? (Stichwort: Tag des …)
Wie auch immer. Wenn ich Vorschläge wie den obigen lese, wächst meine Neigung, an Paralelluniversen zu glauben. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie man in einer und derselben Welt zu derart unterschiedlichen Wahrnehmungen und daraus resultierenden Anforderungen an sein Umfeld gelangen kann …