Spätestens seit dem Verschwinden traditionsreicher Zeitungen vom US-Markt, sieht sich die Journalismusbranche einer völlig neuen Situation gegenüber. Noch heute gelten Probleme und Katastrophen als Garant für hohe, mit steigenden Einnahmen verbundene Auflagen – die Nachricht eigener wirtschaftlicher Schwierigkeiten hat jedoch einen bitteren Beigeschmack.
Wie auch andere Branchen wurden Printmedien vom digitalen Zeitalter völlig unvorbereitet überrascht. Wer hätte denn ahnen können, dass Menschen per Computer nicht nur Musik und Filme konsumieren, sondern sogar lesen, dass digitale Nachrichten schnell und ohne Qualitätsverlust kopiert werden können, und dass Menschen gar ihr Wissen in großem Maßstab, frei und teils auf eigene Kosten einzubringen bereit sind? Projekte wie die Wikipedia erschienen allein für den Markt der Lexika von Bedeutung, eine Konkurrenz zum Heer der Journalisten, die täglich weltweit ausschwärmend das kurzlebige Gut der tagesaktuellen Nachricht unter die Leute bringen, war nicht in Sicht.
Nun jedoch, seit Werbeeinnahmen dünner werden, Leser statt auf kostenpflichtige Dienste zurückzugreifen Gratisausgaben online nutzen und sich Artikel im Netz beliebig verlinken und zitieren lassen, scheint es allerhöchste Zeit, zur Jagd auf die bösen Schuldigen zu blasen: Blogger, die mehr oder weniger ungeniert alles und jeden verlinken sowie die großen Suchmaschinen. Wundert es da, wenn Schützenhilfe gerade in der Film- und Musikindustrie angefragt wird?
Ein tapfrer Recke im Kampf der klassischen Medien gegen Nutzer und Strukturen des Internets scheint Rechtsanwalt Professor Dr. Jan Hegemann aus Berlin zu sein, dessen akademische und juristische Überlegungen in der Onlineausgabe der FAZ nachzulesen sind und zu denen ich mich eines Kommentares nicht enthalten kann. Dem Thema und der Form angemessen scheint mir dabei die in Foren bewährte Zitationsmethode zu sein, schließlich hat Hr. Hegemann das Internet sicher bewusst als Plattform seines Artikels gewählt.
Original Jan Hegemann
Immer mehr Menschen verzichten auf eine Zeitung, Anzeigen wandern in das Internet ab. Gleichzeitig kanalisiert der Internet-Gigant Google mit seinem Hauptangebot und auch mit seiner Nachrichtenseite „Google News“ den Zugriff auf die Online-Angebote der Zeitungen, verwertet entgeltfrei deren Inhalte und schöpft die Werbebudgets ab. Das kann nicht lange gutgehen.
Bezeichnend für die Äußerungen Hegemanns ist eine offensichtliche Unkenntnis der Materie, ein eigentlich eher für die von ihm verteidigten Medien symptomatisches Verhalten, ohne das man ihm eine böswillige Verdrehung der Tatsachen unterstellen müsste. So trifft eine Verwertung von Inhalten nicht auf das „Hauptangebot“ Googles zu, sondern wenn überhaupt, allein auf den Dienst der „Google News“. Zudem entsteht der Eindruck, Google würde die Werbeeinnahmen der gelisteten Publikationen abschöpfen und die Verleger und Journalisten somit um ihre Einnahmen bringen. Tatsächlich besteht jedoch in der Aufbereitung durch Google eine eigene Leistung, die Leser und Werbepartner anzieht, ohne die Artikel der Zeitschriften zu kopieren auf die verlinkt wird. Wer also einen Artikel vollständig lesen will, muss per Link auf die Onlinepräsenz der entsprechenden Zeitschrift wechseln, die dort eigene Werbepartner gewinnen kann. Google bringt dem Artikel also eher eine interessierte Leserschaft, die vorwiegend nicht bloß über die Artikel schweift sondern thematisch interessiert ist. Für Werbeeinnahmen der Zeitschrift sollte dies ein handfester Mehrwert sein.
Dass ein solcher Dienst von Lesern angenommen wird, liegt nicht zuletzt an der schlechten Qualität von Medienangeboten, denn offensichtlich reicht vielen Lesern ein kurzes Überfliegen von Überschriften. Wäre ein fesselndes Angebot vorhanden, erschiene der Weg über Google eher als lästiger Umweg zum direkt präsentierten Artikel.
Ein Hinweis darauf, dass alle Google-Dienste freiwillig sind, und man sich als News-Anbieter problemlos ausklinken kann, fehlt Hegemanns Ausführungen völlig. Suchmaschinenbetreiber für geleistete Dienste zusätzlich zahlen lassen zu wollen zeugt von einer geradezu peinlichen Unkenntnis des Sachverhaltes – eher sollten sich Verleger über die kostenlose Werbung freuen, solange sie nicht selber für eine Listung zahlen müssen.
Original Jan Hegemann
Alle Versuche, den Zugriff auf Zeitungs- und Zeitschrifteninhalte im Netz unmittelbar zu monetarisieren – etwa über Abonnentensysteme -, sind erfolglos geblieben. Journalistische Websites können nach der Mechanik des Internets offenbar fast nur gratis erfolgreich verbreitet werden.
Kostenpflichtige Internetdienste gibt es mehr als genug. Wenn eine „Monetarisierung“ den Tageszeitungen und Magazinen nicht gelingt, mag das auch an der Wertschätzung durch den Leser liegen, die in unserer Marktwirtschaft eine nicht unbedeutende Rolle spielt, wie dem Herrn Professor sicher geläufig ist. Das offensichtliche Fehlen einer Nachfrage an kostenpflichtigen Online-Angeboten der Verlage mag an der Qualität des Angebotes oder einfach an der Existenz gleichwertiger Gratis-Angebote im Netz liegen. Vielleicht basieren die Verkaufszahlen von Printmedien oft gar nicht auf Artikeln, sondern liegen mehr im Bereich der Unterhaltung begründet. Noch werden digitale Medien kaum im Bus, in Arbeitspausen oder beim Frühstück konsumiert, weswegen das Internetangebot als Konkurrenz nicht überall direkt vorhanden ist. Musik- und Videoplayer erobern diese Freizeitbereiche jedoch mehr und mehr, so dass man auch hier einen Grund für das Wegbrechen der Kundschaft sehen kann.
Original Jan Hegemann
Wie aber können Verlage und Journalisten ihr geistiges Eigentum im Netz schützen und an seiner wirtschaftlichen Verwertung angemessen beteiligt werden? Eine Analyse des geltenden Zivil- und Urheberrechts führt zu der Erkenntnis, dass es an einem durchsetzbaren originären Investitionsschutz für den Presseverleger fehlt.
Das wird der Herr Jurist sicher besser wissen als ich, allerdings scheint mir eine Erklärung, warum ein Autor seinem Verlag diese Rechte nicht einräumen kann und warum ein Autor bei Verletzung seiner Rechte nicht selber erfolgreich klagen kann sinnvoller, als diese schlichte Behauptung. Wie es Herr Hegemann schildert, liegt doch der einfache Rat am nächsten, das geistige Eigentum, indem man es für sich behält und nur auf konkrete Nachfrage kostenpflichtig anbietet, zu schützen. Natürlich ist dann fraglich, ob man davon leben kann, die eigene Meinung über Inhalte anderer Blätter und Agenturen zu verkaufen. Oder anders: warum soll ich, wenn mich diese Meinung im Grunde nicht interessiert, dafür bezahlen?
Original Jan Hegemann
Ein Schutz der Leistungen des Presseverlegers in der digitalisierten Welt muss aber vom Gesetzgeber garantiert werden, da eine Demokratie ohne Presse und Pressevielfalt nicht lebensfähig ist. Dazu bedarf es eines Leistungsschutzrechts der Presseverlage.
Die Allgemeinheit soll also eine journalistische Oberschicht durchfüttern, damit diese alles und jeden mit ihren Ansichten zumüllen kann? Vermutlich hat Herr Hegemann auch schon konkrete Pläne für Personen, die dann die Aufsichtsgremien besetzten – oder sind diese dann gar nicht mehr nötig? Die Aussage zur Lebensfähigkeit der Demokratie ohne Presse ist dabei von besonderer Qualität – als ob die lokale Demokratie von internationalen Publikationen im Internet abhängig wäre, und als ob die breite Vielfalt an Blogs, Lexika und detaillierten Wissensseiten zu allen möglichen Bereichen nicht deutlich mehr an Pluralität und Information ergibt, als die paar deutschen Blätter. Diese Gedanken aus dem 19. Jhdt. sollte man doch in ernst gemeinten Diskussionsbeiträgen des 21. Jhdt. nicht mehr hören müssen, ansonsten muss man sich schon fragen für welche Ideologie oder Lobby hier gesprochen wird.
Original Jan Hegemann
Ein eigenes originäres Schutzrecht gibt es nicht […] Anders als Filmproduzenten, Tonträgerhersteller, Sendeunternehmen oder Konzertveranstalter, denen das Gesetz ein dem Urheberrecht weitgehend gleichstehendes Leistungsschutzrecht gewährt, steht der Presseverleger nackt da.
Ich denke nicht, dass mit einer Annäherung an die Musik- oder Filmbranche für Verlage irgendetwas gewonnen wäre. Das klassische Geschäftsmodell bricht ja dort nicht weg, weil viele Zeitungen oder Artikel kopiert würden, sondern weil die Leser den Artikeln keinen Geldwert beimessen. Der Ansatz einer Qualitätsoffensive wird jedoch nicht gern gehört, kratzt er ja am Stolz und überschreitet zudem wohl auch die Fähigkeiten unsres deutschen Pressewesens, dass sich statt dessen lieber unhinterfragt in einer staatlich geschützten Kulturflatrate sonnt.
Original Jan Hegemann
Der Presseverleger schafft die Voraussetzung dafür, dass der journalistische Beitrag überhaupt Leser findet und Wirkung entfalten kann. Er organisiert und finanziert das Entstehen des Artikels, ermöglicht durch Druck und Vertrieb die Verbreitung. Schließlich adelt er den einzelnen Beitrag allein dadurch, dass dieser unter der Marke einer bestimmten Zeitung oder Zeitschrift mit der daran geknüpften Qualitätserwartung erscheint.
Ersteres kann im Internet sicher als überholt gelten. Verlegen kann dort jeder seine Meinung ohne großen Aufwand. Es braucht keinen Verlag mehr um ein Werk der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Anders ist es jedoch in Bezug auf Marken und deren Qualitätssigel. Hier scheint mir ein Hauptfehler von Verlegern zu liegen. Deren Marken stehen nämlich längst nicht mehr für Qualität, und viele haben ihren Ruf gleich derartig ruiniert, dass dieser wohl auch kaum mehr zu retten ist. Qualitätsvolle Angebote und Labels unter denen auch Artikel erscheinen, sind im Internet vorhanden. meist jedoch decken sich diese nicht mit den klassischen großen Verlagen und vielerorts sind sie sogar frei erhältlich. Analog zu Softwareentwicklungen, wo längst bekannt geworden ist, dass ehrenamtlich erstellte Werke denen ihrer kommerziellen Konkurrenz nicht nachstehen, ist auch den Verlegern eine Ehrenamtliche Konkurrenz erwachsen, die ihnen im besten Fall zum Ansporn hätte dienen können.
Die wesentlichen Ansichten aus Hegemanns Artikel sind bis hier genannt, im weiteren breitet sich der Autor mehr über fehlende juristische Handhabung und das vermeintlich bessere Ausland aus, so das die Anmerkungen, abgesehen von einer allgemeinen Schlußbemerkung, soweit erst einmal reichen sollen reichen:
Medien nehmen klassisch eine Mittlerrolle zwischen interessierten Laien und der Fachwelt ein, Von Journalisten wird erwartet, sich in bestimmte Themengebiete einzuarbeiten und die dort gewonnenen Erkenntnisse allgemein verständlich aufzubereiten. De facto genügen sich jedoch viele damit, für sie unverständliches anzuprangern und Artikel ohne großen Aufwand zu erstellen. Autoritäten werden demontiert, fehlendes Fachwissen durch einen behaupteten Moralanspruch ausgeglichen, der ein Hinterfragen des Autors verhindern soll ohne dass sich dieser neutral und kompetent mit einer Sache auseinandersetzen muss. Wundert es da wirklich, dass die durch Presse anerzogene Respektlosigkeit vor Fachgebieten und Know-How-Trägern mittlerweile auch auf Journalisten selbst angewandt wird, deren Wort man für genauso unwichtig nimmt, wie sie das Wort das sie eigentlich zu vermitteln hätten?