Falschmeldung der Woche
Seit einiger Zeit kursiert das Gerücht, Papst Franziskus wandere des Nachts unerkannt durch Rom um Armen und Kranken zu helfen. Wir sind dem Gerücht nachgegangen.
Tatsächlich stießen wir bei unseren Recherchen in den Armenvierteln der Stadt auf nicht wenige Spuren des Papstes. So trafen wir Alfredo Esposito, der nach eigenen Angaben seit mehr als 30 Jahren auf der Straße lebt und erklärte, er treffe den Papst täglich kurz vor dem Einschlafen. Franziskus erscheine umgeben von einem hellen Licht und brächte ihm persönlich allabendlich eine Flasche besten neapolitanischen Rotweines.
Derartige Augenzeugenberichte sind nicht selten, allerdings ergeben sich bei genauerer Nachfrage auch Ungereimtheiten: So erscheint Papst Franziskus den einen in Begleitung vieler Vögel, andere meinen Engelsflügel erkannt zu haben und wiederum andere geben an, dass er um in Gesellschaft zu sein, zwei Mal die Woche nebenan übernachte. Sollte der Papst keine Fähigkeit zur Multilokation besitzen, muss es ihn demzufolge allein in Rom mindestens 35 Mal geben.
Fündig geworden sind wir dann in einer schlichten Eckkneipe, der Taverna Luigi. Gegen 23:30 Uhr betrat ein Mann in weißer Soutane den Raum und sah sich vorsichtig um. Die dunkle Brille und der graue Bart verdeckten sein Gesicht, Gestik und Gestalt ließen uns jedoch aufmerksam werden. Nach kurzem Zögern entdeckte er sein Ziel, ein Tisch in einer schummrigen Nische, an dem bereits zwei ältere Herren Platz genommen hatten: der eine glatt rasiert, gegeltes Haar und Maßanzug, der andere eher dem Typ des Alt-68ers entsprechend mit grauem Pferdeschwanz und Nickelbrille.
Als letzterer schließlich die Hand hob und beim Wirt „3 Schoppen auf Francesco“ bestellte, war jeglicher Zweifel verfolgen: Wir hatten Papst Franziskus auf einem seiner nächtlichen Ausflüge gefunden. Doch wie sollten wir uns ihm nun nähern? Wir entschieden uns für die forsche Art, gingen zielstrebig auf den besagten Tisch zu und setzten uns zu den Dreien, denn schließlich ist der Papst für seine direkte und unkomplizierte Art bekannt.
Tatsächlich kamen wir nach einem Moment der Unsicherheit auch schnell ins Gespräch und tauschten unsere Telefonnummern aus. Leider mussten wir seiner Heiligkeit jedoch versprechen, aufgrund jüngster Erfahrung mit der Veröffentlichung von Interviews, über den Inhalt unseres Austausches weitgehend Stillschweigen zu bewahren. Soviel sei jedoch gesagt: Bei den Herren am Tisch des Papstes handelt es sich um Wirtschaftswissenschaftler.
Nach sorgfältigen Erwägungen schien es den päpstlichen Beratern notwendig, auf die teils herbe Kritik an wirtschaftspolitischen Äußerungen im Lehrschreiben „Evangelii Gaudium“ hin, praktische Erfahrungen zu sammeln; am besten in einer Wirtschaft vor Ort. Der falsche Bart sollte dabei einzig der Tarnung dienen, um möglichst unbehelligt von (gläubigen) Fans ein objektives Bild der Wirtschaft zu erhalten und nicht, wie wir zuerst vermutet hatten, eine Nähe zu marxistischen Wirtschaftsmodellen zu unterstreichen.