Kategorie: Filmrezensionen

8. Mai 2020

Eine Kurzrezesion. 

Seltsam dass in den heutigen, für religiöse Fragen doch angeblich sensibleren Zeiten, der religiöse Hintergrund des Filmes kaum dargestellt wird. Ich möchte diese Rezension darum benutzen, ein paar Ansätze aufzuzeigen, wie man Filmthemen aus Dogville in christlicher Hinsicht vertiefen kann. Im Grunde drängt sich dies ja auch direkt auf, selbst wenn man den Lebenslauf des Autoren und Regisseurs nicht berücksichtigt.

Ein in diesem Zusammenhang besonders beeindruckendes Filmzitat ist folgendes:

‚„So wie Dogville sich frei zugänglich auf der zerbrechlichen Felsplatte am Bergkamm ungeschützt den launischen Stürmen darbot, so bot sich auch Grace dar. Und so hing sie an einem dünnen Stiel, wie der Apfel im Garten Eden. Ein Apfel, so prall, dass der Saft gerade heraus lief.“

Dogville ist der erste Teil der Amerikatrilogie von Lars von Trier. In einem einsamen, romantischen Bergdorf inmitten der Rocky Mountains, bewohnt von ehrlichen, hart arbeitenden Menschen, entwickelt sich ein faszinierendes und gleichzeitig beängstigendes Drama, welches unweigerlich auf eine Apokalypse zusteuert.

Ausgangspunkt der Geschichte ist die verwaiste Kapelle, in der seit langem kein Geistlicher mehr Dienst tut, die aber als Versammlungsort der Einwohner ab und an genutzt wird. Ein Müßiggänger aus reicherem Haus, der sich selbst Philosoph nennt, versucht dort, seine Vorstellungen einer weltlichen Ethik an den Bewohnern auszuprobieren, indem er ihnen, wie er es nennt, „einen Spiegel vorhält“.

Sicher geht man nicht zu weit, in dieser Darstellung eine Anlehnung an die Situation der Kirche heute zu sehen, in welcher Menschen zwar aus Tradition (oder weil sie nichts verpassen wollen) anwesend sind, deren Programm aber mit christlicher Verkündigung nicht mehr viel zu tun hat, und die nur allzu häufig zum ethischen Experimentierfeld selbsternannter Prediger geworden ist.

Der Film führt diese Problematik auf zwei Weisen aus – erzählerisch und musikalisch.

So durchzieht ihn als künstlerisches Thema Vivaldis „nisi dominus“, worauf der Zuschauer in besonderem Masse verwiesen ist, da durch die Reduktion optischer Reize die Musik einen ganz besonderen Stellenwert erhält. „Nisi dominus“ verleiht dem Film nicht nur eine dramatische Note, sondern gibt schon gleich von Anfang an einen Hinweis zur Auflösung des Themas im Göttlichen.

Die Geschichte selbst ist schnell erzählt:

Dogville ist, wie es heisst, von lauter braven Leuten bewohnt. Man geht seiner geregelten Arbeit nach, hilft sich in der Nachbarschaft aus und ist ansonsten lieber unter sich. Zwar hat jeder so seine Eigenheiten, aber im Gemeinwesen stört sich niemand wirklich am anderen – einzig Tom, der schon erwähnte „Philosoph“ empfindet diese „Kleinbürgerlichkeit“ als zu eng und und ist bestrebt, das schläfrige Dorf zu erwecken – natürlich nicht durch eigenes Opfer, sondern um anschließend die Lorbeeren der Anerkennung zu geniessen.

Unerwartet, wie ein Geschenk, betritt zum rechten Zeitpunkt um Tom als Experiment zu dienen, eine flüchtige Frau (Grace) die Bühne.

Im Folgenden werden dann die Auswirkungen der christlichen Ur- und Hauptsünde, des Hochmutes, durchexerziert:

– Im Dorf genügt sich erst jeder selbst, jedoch will sich keiner nachsagen lassen, er würde der Flüchtigen nicht helfen wollen. Als diese Hilfe jedoch später in den Ruf der Ungesetzlichkeit driftet, da Grace von der Polizei gesucht wird, werden mehr und mehr, unter dem Vorwand der Hilfe, Ansprüche auf Ausgleich des Risikos laut und Grace wird zunehmend, bis aufs Unerträgliche ausgebeutet – immer im Bewusstsein der Leute, ihr letztlich doch helfen zu wollen.

– Tom, Graces Protégé, zeigt seine hochmütigen Ambitionen wohl am deutlichsten. Sein Motiv zur Hilfe ist es, später berühmt zu werden und seinen Mitbewohnern einen Spiegel vorhalten zu können, um sie moralisch zu läutern. Sehr interessant ist hier auch, dass er sich durchaus selbst mit moralischen Ansprüchen quält, um sein Ziel zu erreichen. Doch hilft ihm keine Enthaltsamkeit, wenn er dadurch vor allem seine Arroganz stärkt, mit der er sowohl Grace als auch die Dorfbewohner für seine Karriere einspannt. Als ihm dies aufgeht, geht er folgerichtig auch nicht in sich, sondern versucht seinen Makel zu vertuschen, indem er sich Grace zu entledigen sucht.

– Schließlich stellt sich auch Grace, die vorerst wie ein Engel auftritt und christusgleich alle Schmach der Dorfbewohner incl. Tom unschuldig über sich ergehen lässt, als nur allzu menschlich heraus. Dem Hochmut eines reichen, im organisierten Verbrechen eine führende Rolle spielenden Vaterhauses entweichend, hat sie in Dogville versucht, sich allem und jedem unterzuordnen – und gerade dadurch, indem sie sich kleiner machte als alle anderen, entlarvt sie sich als die Hochmütigste von allen, wie ihr Vater ihr in einem dramatischen Schlusswort verdeutlicht: Wer sich als Mensch über alle Fehler anderer hinwegsetzt, alles und jeden entschuldigt, nimmt den anderen ihre moralische Verantwortung – er degradiert sie geradezu und nimmt ihnen das, was sie zum Menschen macht. Indem Grace alles erduldet und für jeden eine Entschuldigung findet, stellt sie sich als die einzig Schuldfähige gleichsam über alle anderen: eine Rolle, die den Bogen zum genannten „nisi dominus“ von Vivaldi eindrucksvoll schließt.

So ist es auch konsequent zu Ende geführt, wenn sie am Schluss des Filmes wieder Mensch wird und um „die Welt ein bisschen besser zu machen“ das Dorf gleich einem Genozid vernichten lässt.

Fazit

Zwei Aspekte haben mich wohl am meisten beeindruckt:

– Zum einen läuft der Film in meisterhafter Weise (dramaturgisch, erzählerisch und künstlerisch) auf das durch die christliche Erbsündenlehre dargestellte Problem hinaus, dass wir letztlich die Welt nicht erlösen können. Was wir auch machen, es ist letztlich falsch. Einerseits ist es Hybris und nimmt den Menschen alle Freiheit, wenn wir an Christi Stelle sämtliches Leid auf uns nehmen wollen. Versuchen wir aber vor allem unsere menschliche Gerechtigkeit walten zu lassen, endet das in letzter Konsequenz in einem Blutbad.

– Das Blutbad wiederum knüpft in erschreckender Weise an einen zweiten mich tief beeindruckenden Aspekt an, nämlich den Reaktionen auf den Film. Nicht wenige aufgeklärte Bürger, die sich mit Entschiedenheit und aller Kraft von geschichtlichen Phänomenen wie dem Holocaust distanzieren, waren auf einmal bereit, aus vollem Herzen Sympathie mit Graces finaler Entscheidung auszudrücken. …

Wohl auch darum ist mir ein Film selten derart nachgegangen und hat mich kaum so aufgewühlt. Für mich ist Dogville auf jeden Fall eine Ausnahmeerscheinung, von der ich kaum glauben kann, dass sie aus der Hand eines einzigen Menschen stammt. Wenn ich jemals Zweifel an den Möglichkeiten moderner Filmkunst hatte, so sind diese durch Dogville beseitigt.

22. April 2020

Jules: Ja, ich hab über einiges nachgedacht.
Vincent: Worüber?
Jules: Über das Wunder, dessen Zeugen wir wurden.
Vincent: Dessen Zeuge du wurdest. Ich wurde Zeuge eines verrückten Zufalls.
Jules: Was ist ein Wunder, Vincent?
Vincent: Eine Tat Gottes.
Jules: Und was ist eine Tat Gottes?
Vincent: Wenn, ähm, Gott das Unmögliche möglich macht… (Jules lacht) …aber die Nummer von vorhin kommt dafür nicht in Frage.
Jules: Hey Vincent. Siehst du nicht, dass es auf diesen Mist nicht ankommt? Du gehst da von was Falschem aus. Ich meine Gott könnte die Kugeln aufgehalten haben oder Coke in Pepsi verwandeln oder meine verdammten Autoschlüssel finden. Du beurteilst diesen Mist nach seinem Wert. Ob das, was wir erlebt haben ein Wunder ist, wie es sein sollte, ist für ein Wunder vollkommen bedeutungslos. Das einzige was wirklich zählt ist, dass ich die Hand Gottes gespürt habe. Gott hat sich eingemischt.
Vincent: Aber warum?
Jules: Tja, das macht mir auch zu schaffen. Ich weiß nicht warum. Aber ich kann nicht so weitermachen.
Vincent: Du meinst es also ernst? Du denkst wirklich daran auszusteigen?
Jules: Aus diesem Leben?
Vincent: Ja.
Jules: Auf jeden Fall.
Vincent: Verdammt. Was willst du dann tun?
Jules: Tja, genau darüber hab ich die ganze Zeit nachgedacht. Zuerst werde ich Marsellus den Fall darlegen. Dann werde ich einfach über die Erde spazieren.
Vincent: Was soll denn das schon wieder heißen?
Jules: Du weißt schon. Wie Caine in Kung Fu. Von Ort zu Ort gehen, Menschen treffen, Abenteuer erleben.
Vincent: Und wie lange hast du vor über die Erde zu spazieren?
Jules: Bis Gott mich dahin bringt wo er mich haben will.
Vincent: Und was ist wenn er das nicht tut?
Jules: Wenn es ewig dauert, werd ich ewig spazieren.
Vincent: Dann hast du dich entschlossen ein Penner zu werden.
Jules: Ich werde einfach Jules sein, Vincent. Nicht mehr und nicht weniger.
Vincent: Nein, Jules. Du hast dich entschlossen ein Penner zu werden. Genau wie all die anderen Stinker da draußen, die dich um Geld anbetteln. Pennen in Mülltonnen. Fressen, was ich wegwerfe. Es gibt eine Bezeichnung dafür, Jules. So was nennt man einen Penner. Und ohne einen Job oder Wohnung oder Zahlungsmittel wirst du genau das sein, Mann! Du bist ein verdammter Penner!
Jules: Siehst du, mein Freund. In genau diesem Punkt unterscheiden wir uns.

Entsprechend den Schächern am Kreuz
Die biblische Erzählung über die beiden mit Christus gemeinsam Gekreuzigten, von denen einer kurz vor dem Tode bereute und ins Paradies einging, hat seit je her das künstlerische Schaffen der Menschen inspiriert. Dafür dürfte einerseits der „Reiz des Verbotenen” ausschlag gebend sein, oder genauer das „Spielen mit dem Feuer”: jene Versuchung, sich so weit als möglich hinauszuwagen, Freiheiten auch jenseits gesellschaftlicher Normen in Anspruch zu nehmen, bei Gefahr aber stets wieder schnell auf sicheren Boden zurückgelangen zu können. Ein anderer Aspekt an den Geschichten über die Schächer behandelt die Frage, warum sich zwei Menschen aus ähnlichem Umfeld in beinahe identischen Situationen völlig unterschiedlich verhalten, so dass der eine das Heil trotz aller Widrigkeiten erlangt, der andere nicht.

Gerade zu dieser zweiten Fragestellung zeigt Pulp Fiction recht anschaulich, wie zwei Auftragskiller, beide erfolgreich in ihrem Milleu integriert, jeweils ihren Weg gehen.

Vincent Vega
Als zentrale Figur tritt nicht Jules Winnfield auf, dessen Bekehrung das leitende Thema des Filmes ist, sondern der letztendlich scheiternde Vincent Vega. Ihm sind neben dem Haupt-Erzählstrang zwei weitere Episoden gewidmet: die eine zur Zeichnung des Charakters und die andere als Rahmenhandlung seines Todes.

Vincent Vega und Marsellus Wallaces Frau
Der karriereorientierte Vincent Vega hat es weit gebracht. Als Handlanger einer gefürchteten Größe im organisierten Verbrechen darf er mit der Frau seines Chefs ausgehen, was zwar aufgrund dessen stadtbekannten Launen nicht ungefährlich ist, andererseits aber gesellschaftliche Türen öffnet. Dabei entpuppt sich das vermeintlich selbstbestimmte Leben, welches Vincent im eingangs zitierten Gespräch über Jules Bekehrung anpreist, bis ins Privatleben hinein als diktiert. Mut für das Abenteuer mit Mia Wallace verschafft er sich mit Heroin, wobei er sich als zahlungskräftiger Stammkunde seines Dealers zeigt. Der Abend selbst steht von der Wahl des Lokals über die Gesprächsführung bis hin zur Teilnahme an einem Tanzwettbewerb (und anschließendem Diebstahl des Pokals) fest unter der Regie seiner Begleitung. Selbst die Entscheidung, ob er das Risiko eines Seitensprunges eingehen soll, wird ihm abgenommen: Mia entdeckt sein Heroin und schnupft es in der Annahme, es handle sich um Koks, woraufhin er in Panik zu seinem Dealer fährt und diesen die Situation für sich bereinigen lässt.

Vincent Vega wird im Ganzen als skrupelloser Mensch dargestellt, der für Prestige und leibliche Genüsse buchstäblich alles zu tun bereit ist, aber dennoch nur ein kleines Rädchen im Getriebe der Interessen anderer bleibt.

Die goldene Uhr
Auf den ersten Blick scheint diese Erzählung mit Vincent Vega nicht viel zu tun zu haben.

Der Boxer Butch Coolidge hat seine besten Zeiten hinter sich und macht mit Marcellus Wallace aus, gegen eine ansehnliche Bezahlung einen Kampf zu verlieren, damit dieser an entsprechenden Wetteinnahmen verdient. Coolidge spielt jedoch ein doppeltes Spiel und gewinnt den Kampf (durch Totschlag seines Gegners), wodurch er sowohl das Bestechungsgeld als auch eigene Wetteinnahmen erhält. Gemeinsam mit seiner Freundin möchte er sich daraufhin absetzen, diese hat jedoch für den Umzug eine goldene Uhr einzupacken vergessen — ein für den Boxer sehr wertvolles Erbstück, das zu holen er noch einmal in seine alte Wohnung zurückkehrt.

Hier trifft er auf Vincent Vega, den er auf der Toilette überrascht und mit dessen vor dem WC abgelegten Waffe erschießt.

Im weiteren Verlauf trifft Coolidge an einer Straßenkreuzung auf Wallace, es kommt zu einem Kampf infolgedessen sie sich verletzt in ein Pfandleihaus zurückziehen, dessen Besitzer sie beide niederschlägt, in den Keller bringt und fesselt. Während sich der Boxer aus den Fesseln befreien und fliehen kann, wird Wallace von dem Ladenbesitzer gemeinsam mit einem Compagnon vergewaltigt. Butch Coolidge hält indessen auf der Flucht inne, wählt ein Katana aus den Waren des Leihaus und kehrt zurück in den Keller, Wallace zu befreien. Unter der Auflage, mit niemandem über diesen Vorfall zu sprechen und die Stadt für immer zu verlassen, lässt Wallace den Boxer daraufhin ziehen.

Zwar erzählt der Plot dieses Stranges auch ohne Vincent Vega eine abgeschlossene Geschichte in der ein Gauner seiner Strafe aufgrund einer selbstlosen Handlung entgeht, doch allein die Namensgebung deutet darauf hin, dass hier ein anderer Schwerpunkt vorliegt: Die goldene Uhr ist der Grund zur Rückkehr Coolidges in seine Wohnung und somit Ursache für den Tod Vincent Vegas. Dass dieser in der Episode selbst nur als Nebenschauplatz erscheint, unterstreicht die Unwichtigkeit des gefallenen Helden — er ist keiner Rede mehr wert.

Jules Winfield
Über Winnfield ist nicht viel zu berichten, außer dass er die Gesprächsführung in Konfliktsituationen übernimmt und auch sonst reflektierter zu sein scheint, als sein Partner. Seinen Opfern gegenüber inszeniert er sich als eine Art biblischer Rächer, einen vermeintlichen Bibelvers (Hezekiel 25-27) zitierend, der so allerdings in der Heiligen Schrift nicht zu finden ist.

Zitat: „Der Pfad der Gerechten ist auf beiden Seiten gesäumt mit Freveleien der Selbstsüchtigen und der Tyrannei böser Männer. Gesegnet sei der, der die Armen der Barmherzigkeit und des guten Willens, die Schwachen durch das Tal der Dunkelheit geleitet, denn er ist der wahre Hüter seines Bruders und der Retter der verlorenen Kinder. Und da steht weiter: Ich will große Rachetaten an denen vollführen, die da versuchen meine Brüder zu vergiften und zu vernichten und mit Grimm werde ich sie strafen, damit sie erfahren, ich sei der Herr, wenn ich meine Rache an ihnen vollstreckt habe!”

Nur einmal referiert er diesen Text, ohne sein Opfer anschließend zu töten, denn kurz nach seiner Bekehrung, gerät Winnfield in die Situation, selbst ausgeraubt zu werden. Der Räuber ist ihm allerdings unterlegen, so dass es für ihn ein Leichtes gewesen wäre, Vergeltung zu üben. Statt dessen überlässt er dem verdutzten Banditen sein gesamtes Geld. Nachdem Vincent Vega das nicht zulassen will und droht den Räuber zu erschießen, erklärt Winnfield das Leben des Räubers mit dem Geld losgekauft zu haben.

Seinen „Bibelvers” bringt er in dem Zusammenhang ein letztes Mal an und bemerkt dabei, dass ihn bis dato nur Todgeweihte zu hören bekamen. Hier jedoch lässt er den Banditen mit folgender Erklärung laufen: „Die Wahrheit ist: Du bist schwach und ich die Tyrannei der bösen Männer. Aber ich bemühe mich, Ringo. Ich verspreche, ich gebe das Beste was ich kann, um der Hirte zu sein.”

Die Läuterung (The Bonnie Situation)
Im wesentlichen beschreibt Pulp Fiction, wie Vincent Vega und Jules Winnfield für ihren Chef Marcellus Wallace einen mysteriösen Koffer zurückholen, der ihm von ehemaligen Geschäftspartnern unterschlagen worden ist. Der Inhalt des Koffers bleibt vor dem Zuschauer verborgen, nur einige Akteure im Film bekommen ihn zu sehen. Aufgrund eines selbstständigen inneren Leuchtens sowie dem Zahlenschloß mit der Nummer 666 kursieren über ihn eine ganze Reihe an Theorien.

Dreh und Angelpunkt des Films ist die Szene, in der die beiden Killer den Koffer aus den Händen der zwischenzeitlichen Besitzer zurückholen und diese dabei erschießen. Hier werden die Hauptpersonen eingeführt, die spätere Vergewaltigung des Marcellus Wallace (als Konsequenz/Strafe für seine Geschäfte?) angedeutet und vor allem findet das für die Bekehrung Winnfields ausschlaggebende Wunder statt: Vincent und Jules überstehen den Kugelhagel aus einem ganzen Magazin, welches aus nächster Nähe auf sie abgeschossen wird, unverletzt.

Während Vincent Vega dies als reinen Zufall ansieht, fühlt sich Jules Winnfield vom Hauch Gottes berührt und beschließt auf der Stelle, sein Leben zu ändern. Er verschont den letzten Überlebenden der Auseinandersetzung und nimmt ihn mit auf den Weg zu Wallace, wo er versehentlich von Vincent Vega im Auto erschossen wird.

Das Wunder alleine genügt zur Umkehr jedoch noch nicht und so folgt zunächst einmal die Beichte. (Natürlich nicht im wörtlichen Sinne, doch wird auch hier zur Reinigung von Schuld eine Autorität angerufen, die zuerst eine Buße auferlegt und dann die Absolution erteilt, indem sie durch die Beseitigung aller Spuren der Bluttat gleichsam von ihr losspricht. Wie bei dem echten Sakrament tritt die Wirkung dabei nur für den Reuigen, in diesem Falle für Winnfield ein.)

Mit der Leiche im völlig blutverschmierten Auto sind die beiden Gangster in höchster Gefahr entdeckt zu werden und verstecken sich vorerst bei einem Freund. Auf ihre Bitte um Hilfe hin, schickt Marcellus Wallace Mr. Wolf, einen sog. „Cleaner“, der die Spuren der Tat beseitigen soll. Dieser lässt die beiden den Wagen schrubben und mit Decken ausstatten, bis sie schliesslich selbst zur Reinigung mit einem Wasserschlauch abgespritzt werden. Sauber und neu eingekleidet fahren sie dann gemeinsam mit Mr. Wolf zu einem von ihm organisierten Schrottplatz, um das Auto und die Leiche zu entsorgen.

Von hier an trennen sich die Wege Vincent Vegas und Jules Winfields immer deutlicher. Erst frühstücken sie in einem Pub, führen dort den eingangs wiedergegebenen Dialog und werden wie beschrieben überfallen. Jules lässt den Räuber mit der Beute ziehen, kauft sogar dessen Leben frei und geht seines Weges. Vincent hingegen bleibt in seinem bisherigen Leben, führt wie dargestellt am Abend die Frau seines Chefs aus und wird ein paar Tage drauf erschossen.

10. Januar 2013

Ein Urteil könne man sich nur dann bilden, wenn man das betreffende Objekt ausreichend studiert habe, ist eine landläufige Meinung. Dementgegen spricht die immer gängigere Praxis, sich vor einer Entscheidung nur noch grob zu informieren. So erklärte mir ein Freund vor einiger Zeit, warum Österreich den Deutschen angeblich zehn Jahre hinterherhinke: In unserem Nachbarland müsse man nämlich noch sagen, dass man Goethe gelesen habe, wenn man ihn verreißen wolle. Hierzulande reiche es völlig zu behaupten Goethe sei uninteressant und darum lese man ihn erst gar nicht.

Eben in dieser fortschrittlichen Gesinnung erlaube ich mir nun, Peter Jacksons neustes Machwerk zu kritisieren, ohne auch nur den Trailer gesehen zu haben.