Weils nervt

Die Kategorien „Rechts“ und „Links“ seien überholt, höre ich immer wieder, wenn Leute auf ihre politische Fortschrittlichkeit hinweisen wollen. Bei der Komplexität heutiger Themen ließen sich Positionen nicht mehr auf derart einfache Schemata reduzieren.
 
Rhetorisch ist das geschickt. Vertreter einer stringenten Position werden so ohne ein einziges Argument als veraltet abgetan, man bescheinigt ihnen, nicht mehr auf dem aktuellen Stand der Diskussion zu sein.
 
Ist das aber auch so?

In der Tat weisen Parteien heute keine deutlich voneinander abgrenzbaren Positionen mehr auf. Darum werden sie auch zunehmend vom Wähler nicht mehr nach ihrer Programmatik, sondern nach Sympathie der Kandidaten ausgewählt. Im Wahlkampf ist der Trend, nichtssagende Slogans mit den Portraits möglichst beliebter und bekannter Personen zu kombinieren, besonders auffällig.
 
Austauschbarkeit scheint der Weg der Wahl zu sein, um möglichst breite Schichten der Bevölkerung anzusprechen. Die Folge ist eine immer weniger erkennbare Abgrenzung. In der CDU überlegt man mit Kommunisten zu koalieren, diese finden zunehmend Gemeinsamkeiten zur AfD, die FDP liegt eh irgendwo dazwischen und die Grünen sind von Kommunisten auch nur der Farbe nach zu unterscheiden.
Habe ich noch wen vergessen? Ausschließen will ich das in der allgemeinen Profillosigkeit natürlich nicht, man möge mir das verzeihen.
 
Wollte man das Vorliegende dennoch klassifizieren, bietet sich der Begriff des Relativismus an. Ok, eher nach links driftender Relativismus: Im Grunde ist die Position egal, solange ich mich mit ihr wohl fühle und wenn ich meine, dass sie gut ankommt.
 
Und heiß das jetzt für, bezogen auf die alten Schemata „Rechts“ und „Links“?
 
Im Grunde gar nichts. Es sind ja nicht die Kategorien, die aufgehoben sind, sondern das Bekenntnis zu ihnen ist derzeit nicht opportun. Vielleicht mag manch einer zuerst gedacht haben, es wäre gut, sich nicht in die Karten schauen zu lassen, schnell sind begannen aber viele, sich grundsätzlich nicht festzulegen, Positionen je nach Gusto auch aus sich widersprechenden Argumentationslinien herauszupicken und statt logischer Konsequenz eher Autoritätsargumente zu nutzen.
 
Die alten Kategorien aber bleiben. Es legt sich keiner mehr auf sie fest. In welchem Fahrwasser man schwimmt ist irrelevant, solange es als Image für die Außenwirkung nicht stört oder gar genutzt werden kann. Bei Bedarf wird zu dem, für das man gestern noch hätte Köpfe rollen lassen, reflexartig das Gegenteil behauptet.
 
Aber auch, wenn man etwas nicht mehr betrachtet, bleibt es existent und entfaltet Wirkung. Fehlende Reflexion schützt davor nicht.
Thod Verfasst von:

Glaube denen, die die Wahrheit suchen, und zweifle an denen, die sie gefunden haben.