Digitale Schule der Zukunft

Kritische Gedanken zum Umgang mit zeitgenössischer Technik im Unterricht

Ich bin seit Mitte der 80er Jahre mit Computern vertraut, beruflich arbeite ich seit Mitte der 90er Jahre im IT-Bereich. Neben anfänglichen Hardware-Basteleien habe ich Programmieren gelernt, lange Jahre im Datenbank- und BI-Bereich gearbeitet und bin derzeit Projektleiter und Konfigurator im No-Code Bereich eines der führenden Anbieter auf diesem Gebiet.

Grundsätzlich stehe ich der modernen Technologie und auch dem Einsatz im schulischen Bereich positiv gegenüber. Unsere Kinder sind mit gängigen Systemen vertraut und nutzen sie unter unserer elterlichen Aufsicht.

Trotz aller Beteuerungen über den technologischen Schwerpunkt, den Bayern politisch angeblich setzt, erleben wir den Informatikunterricht auf einem hiesigen Gymnasium als praxisfern und für die Kinder wenig hilfreich. Aufgrund des Unterrichts sind Schüler nicht in der Lage, zwischen Hard- und Software zu unterscheiden, sie wissen nicht, was ein Betriebssystem ist und welche es auf dem Markt gibt. Dabei wäre es ein Leichtes, Vor- und Nachteile unterschiedlicher Komponenten, deren grober Aufbau, Einsatzzwecke und wozu welche Systeme im Alltag verwendet werden, detailliert vorzustellen und zu diskutieren. Wie in anderen Fächern könnte man die groben Bereiche der Informatik thematisch besprechen, doch stattdessen werden ein paar Strukturen aus Programmiersprachen auswendig gelernt und in teils hoffnungslos veralteter Software angewandt, die Schüler kaum mit einer praxisnahen Tätigkeit in Verbindung bringen können.

Im Rahmen der Digitalen Schule werden die Kinder dann quasi ins kalte Wasser geschmissen und sollen einen wesentlichen Teil des Schulalltags computergestützt bewältigen. Dabei können die Anforderungen der Schule teils erheblich von den Vorgaben des Kultusministeriums abweichen, die im Rahmen des Programms „Digitale Schule der Zukunft“ folgendermaßen definiert sind:

• Bildschirmgröße: Mindestens 10 Zoll, damit ergonomisches und lernförderliches Arbeiten möglich ist.
• Gerätetyp: Tablet, Convertible oder Notebook (Tablets sind möglich, aber keine Smartphones).
• Betriebssystem: Kompatibel mit der vorhandenen IT-Infrastruktur der Schule (häufig Windows, iPadOS oder Android).
• Ausstattung: Eingabestift (Stift), Tastatur und/oder andere Komponenten können verbindlich vorgegeben werden.
• Garantie: Mindestens 1 Jahr, bei Refurbished-Geräten von gewerblichen Händlern.
• Anbindung: Unterstützung für WLAN, ggf. Mobile Device Management (MDM) der Schule.
• Speicherplatz und Leistung: Ausreichend für schulische Anwendungen und Multimedia-Inhalte.
• Kompatibilität: Mit digitalen Tafeln und Lernplattformen der Schule (z. B. BayernCloud Schule).

Schulen geben teils Herstellerempfehlungen ab, beispielsweise für das iPad der Firma Apple.

Natürlich ist es verständlich, dass man gerade jenen, die sich mit der Technik wenig auskennen, eine Empfehlung an die Hand geben möchte, doch sollte die eher technischen Aspekten folgen und weniger aktuellen Modetrends. Den Tablet-Bereich teilen sich Geräte auf Android-Basis und iPads derzeit gleichermaßen zu etwa 50% Marktanteil auf, wobei Android Geräte bei ähnlicher Ausstattung deutlich günstiger sein können.

Im Gegensatz zu dem geschlossenen System bei Apple werden bei Android Gerät und Betriebssystem von unterschiedlichen Firmen hergestellt, so dass es gerade auch im Hardware-Bereich eine deutlich größere Auswahl und aufgrund der Konkurrenzsituation das bessere Preis-Leistungs-Verhältnis gibt. Ähnlich sieht es bei anderen möglichen Kandidaten aus.

Alternativen wie Chrome-OS oder Geräte auf Windows-Basis (was für die meisten Notebooks zutrifft) werden unter Umständen nicht einmal erwähnt obwohl die meisten Software browserorientiert überall anwendbar ist. Auch Textverarbeitungen wie Microsoft Office bzw. Derivate wie Open Office sind überall erhältlich. Wäre es da nicht vielleicht auch interessant, Kinder gerade im schulischen Umfeld mit Linux vertraut zu machen?

Ein weiterer Punkt ist das Benutzen einer Tastatur mit dem 10-Finger-System

Gerade Tablets laden dazu ein, alternative Eingabemethoden zu nutzen. Junge Leute verwenden immer mehr die Spracheingabe, Maus und Stift tun ihr weiteres. Ich gehe aber davon aus, dass es noch ein wenig dauern wird, bis die Tastatur in der heutigen Form abgeschafft wird, auch wenn eine Ablöse des auf Typenschreibmaschinen abgestimmten Systems schon seit Jahrzehnten im Gespräch ist.

Vorausgesetzt, es wird noch eine Weile auf Tastaturen geschrieben (für viele Erwachsene eine derartige Selbstverständlichkeit, dass sie ihre Handschrift beinahe schon verlernt haben), dann wäre eine Fehlprägung zum Zwei- oder Mehrfingersystem für Schüler schon von vorn herein ein Hemmnis beim effektiven Erfassen von Texten. Leider ist aber ein solcher Unterricht bestenfalls als Zusatzprogramm in AGs am Nachmittag vorgesehen, was einen Großteil der Schüler vermutlich abhalten wird.


Abschließend ein paar allgemeine Überlegungen

Ich hatte aufgrund meines Geburtsjahrgangs das Glück die Informationstechnologie von klein auf begleitend zu beobachten. Eine wichtige Erkenntnis dabei ist die Langlebigkeit von grundsätzlichen Konzepten, aber auch die Kurzlebigkeit von Geräten im Einsatz und den damit verbundenen Anforderungen an Endanwender.

Praxisnähe ist natürlich wichtig, ein Grundverständnis ist aber deutlich wichtiger. Ich habe in der Schule als praxisnah noch Stenographie oder Buchhaltung auf Papier gelernt, als ich aus der Schule heraus war, gab es im Berufsalltag keines mehr von beiden.

Aktuell machen wir die Erfahrung, dass sich die Benutzerschnittstelle wieder stark ändert, ich würde sogar sagen, so stark wie nie zuvor. Wir können mit Maschinen in unserer Umgangssprache kommunizieren, es gibt Gadgets wie AR-Brillen, die beinahe nahtlos in unseren Alltag eingebunden werden können, so dass herkömmliche Techniken evtl. nur von kurzer Dauer sind.

Gleichfalls machen diese Technologien aber auch in einer bisher noch nicht völlig erforschten, aber doch naheliegenden Weise abhängig, weshalb es für mich eine der Kernaufgaben der Schule sein sollte, nicht das zu lehren, was Kinder im Alltag sowieso ausprobieren, wo sie gesellschaftlich nicht drum herum kommen, sondern Grundlagen zu vermitteln, damit man auch ohne die moderne Elektronik Schreiben, Lesen, Recherchieren!, und Orientierung im täglichen Leben finden kann.

Thod Verfasst von:

Glaube denen, die die Wahrheit suchen, und zweifle an denen, die sie gefunden haben.

Schreibe den ersten Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert