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Jammern ist ein fester Bestandteil der Wirtshauskultur, doch derzeit meine ich, übertreiben es einige schon arg.
Das ganze Netz ist voll von Rechtfertigungen für hohe Preise, die einen schimpfen ständig über das Benehmen ihrer Gäste und die anderen fragen sich, warum sie trotz lautstarkem Kampf gegen Rechts den Gastraum nach wie vor nicht gefüllt bekommen.
Als Familienvater stellt sich mir diese Frage nicht. Bin ich früher mit 5 Personen locker für 75 EUR essen gegangen, Kinder lagen deutlich unter 10 EUR und Erwachsene meist unter 15 EUR, zzgl. Getränke für 3-4 EUR, so geht man heute leicht mit 150 EUR aus dem Lokal und das bei stagnierender, eher fallender Qualität.
Würde man regelmäßig am Wochenende essen gehen, wäre man im Monat mit 600 EUR dabei. Ein kostenspieliges Erlebnis, dass es, gemessen an anderen Freizeitaktivitäten im Vergleich eher schwer hat. Meine Kinder jedenfalls sind der Ansicht, dass man zu hause oft besser isst, als auswärts und wenn ich frage, ob lieber ein Museum, Freibad, eine Rad- oder Bergtour oder aber ein Besuch im Biergarten zur Auswahl steht, dann fällt die Wahl ganz sicher nicht aufs Essengehen.
Auch hochpreisige Alternativen können locker mithalten. So waren wir für deutlich unter 200 EUR dieses Jahr mit unsren drei Kindern im Phantasialand, bei bestem Wetter und ausserhalb der NRW-Saison haben wir es insgesamt auf 100 Fahrten geschafft. Wer will im Vergleich dazu im Wirtshaus sitzen?
Ich kann ja verstehen, dass alles teurer geworden ist und Gastwirte auch rechnen müssen. Aber ich frage mich schon, ob sie sich nicht auch teilweise ein wenig verkalkulieren. So war als Modell zur Preisfindung traditionell eine 1:3-Kalkulation das Mittel der Wahl: also wenn man Ware für einen Euro einkaufen muste, hat man drei Euro verlangt. Das dürfte sich heute aber deutlich verschoben haben. Angenommen man kauft nun für zwei EUR ein, dann heisst nämlich nicht, dass man jetzt auch sechs EUR vom Gast verlangen müsse, denn weder haben sich die Gehälter für das Personal verdoppelt, noch die Immobilien und sonstigen Nebenkosten. (Selbst wenn es so wäre, wenn man sich den Gewinn zugleich verdoppelt, braucht man sich über ausbleibende Kundschaft nicht beschweren.)
Natürlich ist unterm Strich alles teurer geworden, aber das betrifft den Gast ebenso. Und wenn das Geld knapper wird, dann sollte man sich als Gastwirt etwas einfallen lassen, wenn man Menschen dazu bewegen will, das weniger werdende Geld gerade bei ihnen auszugeben – doch Kreativität, Ambiente und das Gefühl zu vermitteln, etwas einmaliges zu erleben, das schaffen kaum mehr Gastronomen.
Schlussendlich muss sich jeder Gewerbetreibende fragen, ob sich sein Einsatz lohnt. Und wenn das Konzept nicht aufgeht, dann muss man schweren Herzens aufgeben. Das haben in den letzten Jahren bereits viele getan und das wird vermutlich auch noch eine Weile so weiter gehen.
Nicht nur die Wirte haben beispielsweise Einbußen aus den Lockdowns der Corona-Zeit nicht ganz verkraftet, auch viele potenielle Kunden erinnern sich noch allzu gut an die kaltschnäuzige Abweisung, die sie dort erfahren haben und die lächerlichen Spielchen, wenn man am Tisch sitzend ohne Maske, nach entwürdigenden Einlaßkontrollen, aber beim Gang von und zum Tisch nur mit Maske auftreten durfte.
Wenn ich also derzeit wieder jemanden höre, der sich beschwert, dass Kunden seine Preise für zu hoch halten, dass sie zu anstrengend und zu fordernd seien, dass Qualität halt seinen Preis habe und der Gast dies eben würdigen müsse, oder ganz Grundsätzlich: Wenn ich mitbekomme, dass Wirte meinen, man müsse sie unterstützen, nur weil sie sich (angeblich) bemühen, dann kommen mir die oben angeführten Gedanken hoch und ich denke mir bestenfalls, was ich mir und meiner Familie am Abend zubereiten werde.
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